Andrea Schurian - Part 16

Andrea Schurian

Kunst Kultur Kommentare Kolumnen


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25
Dez

Sabine Gruber: Ein besseres Leben

So ist Lesen: Gefangen in den Geschichten. Gedanken, die nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sätze, die sich ins Herz bohren. Und so schreibt Sabine Gruber. Zumindest ein paar Zeilen täglich notiert sie in ein rotes Registerheft, schon siebzehn Hefte hat sie in mehr als zehn Jahren mit ihren Beobachtungen, Alltäglichkeiten, Gefühlen, Gedanken,mit Banalem und Philosophischem gefüllt, Ideensammlungen als handschriftliche Fingerübungen für die großen Romankompositionen. Die Wortkünstlerin glaubt nicht an die Verlässlichkeit des spontanen Wurfs, ihre Romane basieren stets auf genau durchdachten Konzepten.

Schreiben, sagt Sabine Gruber, Continue Reading »


05
Dez

Nikolaus: Was darf in gute Stuben?

Ein besonders origineller Internetblogger  wollte  die Debatte über Verbote von Killervideos und Gewalt-Spielen nach dem Amoklauf in Finnland  ein bisschen lustiger machen;  er erläuterte die brutale Wirkung von Brot, wies nach,  dass soundsoviel Prozent der Brotesser zu Dieben, Mördern etc. werden und forderte, den Brotverkauf zu verbieten.  Danke. Gähn.  Auch schon mehr   gelacht. Zum Beispiel unlängst,  als die offenbar dringlichsten  kulturpolitischen Fragen der Türkei medial nachbereitet  wurden. Der türkische Kulturminister Ertugrul Günay tüftelt nämlich gerade an einer Imagekorrektur. Für den Nikolaus.  Dessen Geburtsort Patara liege bekanntlich am Mittelmeeer und dort  sei  es ja wohl zu heiß für pelzverbrämte Kapuzenmäntel und dicke Mützen. Weshalb  Herr Minister Günay die Nikoläuse  der Zukunft in Leinenhemd und hochgekrempelten Hosen, vielleicht sogar in Shorts und Badehosen sehen möchte. Großartige Idee, vielleicht darf  der Nikolaus dann sogar  wieder die  städtischen  Kindergärten in Wien besuchen. Da hat er nämlich schon seit Jahren Hausverbot. Schluss mit lustiglustigtrallalalala. Kinder  fürchten  sich angeblich   vor diesem weißbärtigen Mann,  der ihnen Süßigkeiten bringt, sie dafür lobt, dass sie abends so brav die Zähne putzen, der verspricht, ein gutes Wort beim Christkind einzulegen, sich mit einem Lied feiern lässt und friedlich weiterzieht.  Ein Schock für Kinder? Und noch dazu nur für Wiener Kinder? Ist  Kärntens Nachwuchs unerschrockener? Macht das Landleben forscher?  Ich beispielsweise bin  mit  Nikolaus (aber garantiert krampusfrei) in Kärnten aufgewachsen und  leide nicht unter traumatischen Spätfolgen des Nikolausfestes. Im Gegenteil. Je mehr Nikolaus, desto besser. Dass er im Kindergarten groß und hager, zu Hause eher rundlich war, tat der Freude keinen Abbruch.  Meine Kinder freuen sich ebenfalls seit Wochen auf den Nikolaus - und da nicht nur auf seine Schokoladeversion.  Also vielleicht täte uns WienerInnen  ein bisschen weniger Verlogenheit in der öffentlichen Debatte gut.  Z.B. ginge die so: Nikolaus ist - wenn es denn nicht nur um das Verteilen von Schoko-Kramperln gehen sollte -  ein   christliches Fest; im Kindergarten, zumal in einem Wiener Kindergarten, sind viele andersgläubige Kinder. Die finden  den Nikolaus-Besuch vielleicht befremdlich. Stimmt. Aber abgesehen davon, dass die Botschaft  - „seid lieb zu den Kindern!” - konfessionsübergreifend tadellos  ist: besser, als den Nikolaus  abzuschaffen wäre doch, schon im Kindergarten die  Bräuche und Feste  anderer Religionen kennenzulernen und zu feiern. In wenigen Tagen böte das jüdische Chanukka-Fest dazu eine wunderbare Gelegenheit. Oder Purim. Oder Pessach. Oder das muslimische Eid-al-Fitre-Fest am Ende des  Ramadan. Usw. Usf.  Wer mit dem Anderen, dem Fremden vertraut ist, wird  sich davor nicht  mehr fürchten. Mehr noch: wird es akzeptieren und respektieren. Und  vielleicht steht dann künftig auch nicht mehr in der Zeitung,   „der Adventkranz  darf in keiner guten Stube fehlen.” Doch. Natürlich darf er. In jüdischen, moslemsichen, buddhistischen, atheistischen, hinduistischen Stuben fehlt er. Deshalb sind  die Stuben trotzdem  gut.


28
Nov

Knarren in den Schule

Ja, genau, danke der Nachfrage.  Mein Sohn geht in dieses Wiener Gymnasium, in dem ein 3.Klässler seine Mitschüler gemobbt, mit seinen großwildjägerischen Schießtaten geprahlt und so nebenbei angekündigt hatte, demnächst mit einer  Knarre in der Schule einzureiten. Und weil man sich da natürlich überlegt, was das fürs eigene Kind bedeutet,   habe ich jetzt leider  keine Zeit, mir die schlanken  1.760.000.000 US-Dollar durch Ihren  Kopf gehen zu lassen, die innerhalb von nur zehn Tagen in New York für Kunst über den Ladentisch geschoben  wurden. Goldgräberstimmung in New York!  Leider fällt  von diesem unfässlichen Milliardenbetrag  für ca. 90  Prozent der LebendkünstlerInnen genau nichts ab,  die dürfen  weiter auf Hungerkünstler spielen und wer gar zu wenig verdient, wird in  Österreich nach wie vor aus der Künstlersozialversicherung gekippt. Hat angeblich etwas mit dem Gleichheitsgrundsatz zu tun, was genau habe ich leider auch  nach mehrmaliger Lektüre der einschlägigen  Interviews nicht wirklich Apropos verstanden: der Vater von besagtem Schüler   hat wohl auch nicht genau verstanden, warum sich Eltern von Klassenkollegen an die Öffentlichkeit gewandt haben.  Sein Sohn würde die Schule schon nicht ausrotten, meinte er, was gelinde gesagt  dumm  und bodenlos zynisch  ist. Das Massaker an der finnischen Schule ist noch frisch in Erinnerung; und   dieser Tage wollten in Köln zwei frustrierte Jungs an ihrer Schule ein Blutbad anrichten.  Der Vater stellte exlusiv bei der prima mit dem Kopf nickenden Vera das Jagdfieber inkl. Waffengebrauch seines 13jährigen Sohnes als erzieherische Maßnahme hin und im übrigen sei er sowieso  für durchgehende Bewaffnung der Bevölkerung. Auch LehrerInnen könnten ja mit Schießeisen in die Schule kommen. Superidee, wirklich, das brächte den Unterricht gleich richtig  in Schuss. Nur das mit dem väterlichen Einzelunterricht in Sachen Waffengebraucht scheint,  spätestens, seit der Knabe großspurig angekündigt hatte,   die Glock vom Papa mit in die Schule zu nehmen,  kläglich gescheitert zu sein.    Aber vielleicht will ja das Jugendamt mal die Familie  besuchen und einen kurzen Blick ins Kinderzimmer werfen? Stellen Sie sich das Gleiche  mit einem Migranten-Kind vor. Na? Ja, genau.

Zum Abschuss, äh, Abschluss die gute Nachrichte der Woche:  gewalttätige Computerspiele dürfen in Wien ab nächstem Jahr  nur mehr mit klarer Altersangabe  und nur an jene Personen verkauft werden, die dieser Altersangabe auch entsprechen. War bisher nicht so?  Danke, liebes Wien.  Vielleicht schafft ja auch Restösterreich, diesen Killerspielemist so lange wie möglich von den Kindern fernzuhalten. Und Waffen sowieso.


12
Nov

Kultur. Kunst. Kinder. Zukunft

Und wir werden es wieder zu hören kriegen, spätestens zum 100. Geburtstag von Astrid Lindgren am 14. November und  dann noch allerspätestens am 20. November, dem internationalen Welttag der Kinderrechte, nämlich: dass wir eine Kulturnation sind, der die Kunst etwas wert sein muss und Bildung und Förderung und blablabla und Lesekompetenz und Abenteuer im Kopf und garantiert  sagt  irgendwer den Satz, dass die Pisastudie kein Ruhmesblatt für unser Land ist und Investitionen in unsere Kinder Investitionen in unsere Zukunft sind. Klingt richtig  schön  in Feiertagsreden, ist aber offenbar kein Imperativ für politisches Handeln. Nehmen wir beispielsweise das Wiener Kindertheater:  seit zwölf Jahren schafft Sylvie Rotter  das Kunststück, mehr als hundert Kinder ab sechs Jahren  für Texte  von Shakespeare, Moliere oder Nestroy  zu begeistern, ihnen ein Gefühl für die Schönheit der Sprache zu vermitteln. Nach einem  komplizierten Masterplan verteilt sie die Kinder auf Rollen und Abende;  in jedesmal neuer, erfrischend wechselhafter Besetzung spielen sie vor ausverkauftem Haus Klassiker der Weltliteratur. Toll die einen. Tollpatschig die anderen. Bewundernswert  alle. Also, denken Sie jetzt zurecht, dieses Projekt wird natürlich von der öffentlichen Hand großzügig gefördert, weil:  Kultur. Pisa. Kunst. Kinder. Zukunft. Investition.  Gegenprogramm zu  Komasaufen, Gewalt,  Jugendkriminalität.  Aber nix is fix bei den  öffentlichen Subventionen und so gibt es dieses Jahr von Bund und Stadt Wien insgesamt nur mehr 36.300 statt  49.300 Euro fürs Wiener Kindertheater. Davon zu begleichen:  Honorare für Bürokraft, hochprofessionelle Choreographie und   Bühnen- und Kostümbildner, Mietkosten für Büro, Probenräume und Theater. Jaja, Gürtel enger schnallen. Sinkende Subventionen werden den Kurspreis  in die Höhe treiben, trifft aber bald eh nur mehr die Reichen, weil  die Eltern, die sich’s leisten können, werden es sich weiterhin leisten. Und die anderen Kinder, die auch Lust und Talent und Freude am Spiel haben, aber halt leider arme  Eltern?  (Gem)einsam vorm Fernseher schweigen und  die Phantasie mit Gameboys und  Playstations verspielen? Älterwerden  ist - außer für die Antiaging-Kosmetikindustrie -   kein Honigschlecken,   Jungsein  auch nicht. Rund eine Million Mal pro Jahr wenden sich   Kinder und Jugendliche telefonisch an eine anonyme Beratungseinrichtung, bis zu 600 Hilferufe  gehen  täglich ein.  Einer Studie  zufolge leiden  75 Pozent der Kinder unter Stress. Angeschwiegen oder angeschrieen,  die Folgen stehen täglich auf den Chronikseiten der Zeitungen: magersüchtige Teenager, sich ins Koma saufende Kinder, Messerstechereien.  „Das Recht auf Kunst ist ein Kinderrecht” heißt ein hochkarätig besetztes   Symposium am 20./21.November  im Wiener Museumsquartier.  Unter anderem werden  die österreichische Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur und Wiens Kulturstadtrat refererieren.Ja, und vielleicht gibt es nicht nur klangvolle  Reden. Sondern auch gute Taten.  Sie wissen schon: Kinder.  Bildung. Chancengerechtigkeit. Kultur. Kunst. Investitionen in die Zukunft.  Echt kein Blabla.


07
Nov

China: Lost in Translation

Lass doch die Kinder in Wien, haben mir meine Freunde geraten. Sie werden es nicht mögen: das Essen, die Sprache, die andere Kultur. Nimm die Kinder mit, hat mein Mann gemeint, der für ein paar Monate als artist in residence ins Museum von Ningbo, südlich von Shanghai, eingeladen war. Sie werden es mögen: das Essen, die Sprache, die andere Kultur.

Und jetzt sitzen wir also im Maglev, der schnellsten Magnet-Bahn der Welt und rasen mit bis zu 400 km/h Continue Reading »


30
Okt

Brandheißes Pflaster: Prominente Gäste in Wien

Mein Vater beispielsweise wollte in Wien nicht einmal begraben sein. Folglich war seine liebste Straße  die Triesterstraße. Stadtauswärts. Stars sind da ganz anders. Die fliegen auf Wien. Woody Allen und Leonard Cohen haben sich angeblich sogar überlegt, Häuser zu erwerben. Wurde wohl nichts. Aber! Angelina Jolie und Brad Pitt, mit schwarzen Brillen bis zur Kenntlichkeit  als Brangelina verkleidet: schon dagewesen. Sharon Stone, die sich bei Egon Schiele  ausweinen wollte. Nachts. Barfuß. Und ganz allein: hatten wir.

Bruce Willis,  der eine Fete  auf der gegenüberliegenden  Restaurantterrasse ausspäht -  nichts wie hin also -  und sich von hübschen Damen gleich wieder in die Flucht herzen lässt: (sch)lief  offenbar überraschend gut in Wien.  Und gerade eben  ist  die mehrfache  Oscarpreisträgerin Jane Fonda völlig bodyguard-frei über die Kärntnerstraße geschlendert. Abends wurde die Viennale mit Alan Pakulas „Klute” aus dem Jahr 1971 eröffnet (brachte Jane Fonda seinerzeit übrigens ihren ersten  Oscar). Vor und nach der Viennale-Eröffnung  war sie im Stephansdom, in der Spanische Hofreitschule, in der Secession, im Belvedere, hat sich  in ihr Lieblingsbild,  Klimts „Kuss”, vertieft.  Zu normalen Öffnungszeiten. Ganz schön extravagant.

Wien ist ein brandheißes Pflaster. Nicht nur jetzt. Aber jetzt ganz besonders. Unsere Trendsportarten: Namedropping und Museumhopping. Bekanntlich ist die berühmte Batliner-Privat-Sammlung   auf Einladung Klaus Albrecht Schröders nach Wien übersiedelt, jetzt  wohnen dutzende Picassos, weiters einige Monets, Renoir,  Modigliani, Matisse, Ernst Ludwig Kirchner, Rothko und Francis Bacon in der Albertina.

Im  Belvedere hat Agnes Husslein-Arco  eine Riesen-Kunst-WG für französische und österreichische  Meister des Impressionismus und der Klassischen Moderne eingerichtet,  Vincent Van Gogh, Auguste Rodin, Paul Gaugin neben   Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Herbert Böckl und vielen Zeitgenossen hüben wie drüben. Wien-Paris als gesamteuropäisches Projekt. Der späte Tizian zeigt im Kunsthistorischen Museum, wie sinnlich seine  „pittura di macchie”, die Flecken-Malerei ist.  Im Leopold-Museum sind österreichische ZwischenkriegskünstlerInnen stationiert, wobei das Binnen-I in der Ausstellung nichts verloren hat - reine Männersache:  Kubofuturismus, magischer Realismus, Neue Sachlichkeit und sozialkritische Arbeiterkunst.    Chinesische KünstlerInnen haben im MuMoK Quartier bezogen und stellen den Realismus-Begriff zur Debatte. In der Kunsthalle residieren Tod und Liebe,  La Muerte und True Romances, wie es ich gehört: unter einem Dach. Direktoraler onkurrenzkampf belebt die Szene.Und in der Secession beweisen  (Ex)-PräsidentInnen und KünstlerInnen, dass Streiten auch eine Kunst ist. Jaja, die Kunst! Das Publikum! Die Stars!   Die landen   übrigens  in erhöhter  Dichte jeden Herbst  auf dem zweiwöchigen Cineastentrip  namens Viennale, dem größten  internationalen Filmfestival in Österreich. Oscarverdächtige und preisgekrönte Spielfilme, großes Erzählkino, Dokumentationen, Kurzfilme und verquere Kopfstücke, 300 Filme aus 35 Ländern von frühmorgens bis weit nach Mitternacht: Schlaflos in Vienna, noch bis 31. Oktober. Triesterstraße stadteinwärts.


10
Okt

Frankfurter Buchmesse: 30 Fußballfelder voller Bücher

Nun könnten wir uns ja kurz über eine Literatursendung im Leitmedium unterhalten, die sich angeblich  in besonderem Maße an Nicht-Leser wendet - ein  lustiges Konzept, das Nachahmer finden könnte: Frauenmagazin für Männer; Autozeitschrift für Fußgänger; Weinjournal für Antialkoholiker. Mehr kann ich zur Diskussion nicht beitragen, weil ich zur anderen Zielgruppe gehöre: ich lese. Selten verlasse ich das  Haus, ohne zur Notversorung ein Buch in der Handtasche mitzuführen. Gerade eben  Thomas Glavinic’ ausgesprochen erfrischenden Roman „Das bin doch ich”. Vorher Robert Menasses „Don Juan de la Mancha”,  vorher Sabine Gruber,  vorher Mordecai Richlers „Wie Barney es sieht” (allerdings, falls Sie dieses grandiose Buch auch lesen wollen: schändlicherweise vergriffen und nur mehr im Internet gebraucht erhältlich) und nachher Köhlmeier und Roth und Winkler und Julia Franck….Übrigens! Lesen ist nicht nur Hirntrainung,  sondern mitunter auch gut für die Figur, z.B.  jetzt in Frankfurt:  180.000 Quadratmeter, vollgestopft mit Büchern. Das  sind auf Sport umgerechnet rund 30 Fußballplätze aneinandergereiht, da kann man laufen, aber hallo!  Die Frankfurter Buchmesse, allherbstlicher  Austragungsort für das weltweit größte Literatur-Ländermatch, etwa 80 Prozent des internationalen Buchhandels werden hier getätigt, 7.300 Aussteller aus 110 Ländern werfen  an die 400.000 Bücher auf den Markt,  E neben U neben Schund neben Literatur neben Krimis neben Ratgebern neben Weltklasse neben Musikverlagen neben Verlagsriesen neben dicken Schmökern, neben  rechtem Käse…. Kleine Verlage mit hervorragendem Programm gehen fast unter im Gewoge. JournalistInnentrauben hängen in den und  um die Kojen, in denen  die Schreib-Stars gastieren und signieren. Unbekannte SchriftstellerInnen  warten scheu auf Interviewfragen, die aber nicht und nicht daherkommen, weil sie sich längst bei den prominenten KollegInnen verfangen haben;  Neulinge stehen verlegen bei den Verlagen herum, wandern schließlich fassungslos und zunehmend entmutigt hunderte Titel-Kilometer ab, verfallen in Depression und Krise angesichts von so viel Konkurrenz,  fragen sich, wer das wohl aller lesen soll, schwören sich, mit dem Schreiben aufzuhören und können doch nicht anders als schreiben. Gottseidank.  Abends dann erhöhte Anforderungen ans Fitness-Bewusstsein bei Verlags-Empfängen und Buchhändler-Parties, da drängen sich Journalisten- zu   Autorenschaften, fachsimpeln über den Schrecken vor der ersten Zeile, der ja den Gerichtsreporter ebenso regelmäßig zu überfallen pflegt wie die erfolgreiche Krimi-Autorin. Ja, und?,  fragt sich die suchende Leserin  nach taglangem Marathon, augenmüd, fußmarod und titelstad;  dabei hat sie  eh noch Glück gehabt, einen Kilo Lebendgewicht gegen drei Kilogramm Bücher im Handgepäck  eingetauscht und Qualität in den Quantitäten entdeckt. Andererseits, alljährlich das gleiche Fazit:

Dabeisein ist nicht alles. Dem  Gretchen graut immer noch vor  der  Frankfurter Buchmesse - aber nicht vor den  Büchern.


27
Sep

Nicht Oscar. OscART

Nicht miteingerechnet sind die tausenden HobbykünstlerInnen, die als Lokalmathadore einer treuen Klientel die Wohnzimmer mit Alpenglühn und Seelandschaften vollpinseln; und an deren Werken sich so sinnige Fragen entzünden wie jene, warum wohl ein paar hochmütige Kunstfritzen dieses noch farbfrische Sonnenblumenfeld kurzweg als Kitsch bezeichnen und jenes von Van Gogh als singuläres Meisterwerk. Und überhaupt, warum diese Strichistrichischmiererei auch nur ein Tüpfelchen besser sein sollte als purer Mumpitz. Und dann diese internationale Kunstmafia. Und überhaupt. Und also. Nein: sie gehören nicht zu jenen ca. 6000 Menschen, die in Österreich als Beruf „KünstlerIn” angeben.Tausende Menschen, die ihr Brot mit Kunst verdienen (wollen). Künstlersozialversichert - aber nur, wenn sie genug verdienen. Den Sammler, diese rare Spezies Mensch, suchen sie gemeinsam mit ihren GaleristInnen, werden von diesen - je nach Stall - als brave Haustierchen, anspruchslose Hungerkünstler, als rebellische Erfolgsmenschen oder bizarre Stars gehalten. Letztere (samt ihren Galerien) müssen sich bei der Sammlersuche natürlich nicht mehr ganz so anstrengen, Nachfrage vorhanden, dankeschön. Das sind zumeist die Lieblingskünstler der Kunsthändler. Nona. Sammler sind Einzeltäter, treten selten in Rudeln auf. Wer kauft schon regelmäßig mit einem Werk dem Künstler ein bisschen Butter aufs Brot? Und vor allem: wer sammelt nicht bloß Berühmtheiten der heimischen und/oder internationalen Kunstszene? Das (noch) Sperrige, das (noch) nicht Gängige, das (noch) Aufregende, Überraschende?Kurz: wer sammelt Kunst, statt bloß große Namen an die Wand zu nageln? Doch. Das tun einige. Tiefenscharf. Und/oder breitenwirksam. OscART-verdächtig. Ein Oscar für die Kunst, ja wirklich, gibt es in Wien schon seit sechs Jahren, vergeben vom Landesgremium Kunsthandel der Wr. Wirtschaftskammer, die Trophäe stammt jedes Jahr von einem anderen Kunstschaffenden, heuer von Marko Lulic. Am Montag wurden die OscARTs verliehen: an Johann Kräftner, Direktor des Liechtenstein Museums, die Galeristinnen Helga Krobath und Barbara Wimmer sowie an die Antiquitätenhändlerin Ilse Lehner-Dorner. Und dann wurden die Sammelleidenschaften von Ernst Ploil, Rechtsanwalt, und Horst Köhn, Nuklearmediziner, mit einem OscART prämiert. Beides Sammlungen vom Feinsten, ein betörender Mix aus Stars und Nonames, wobei: wer das Auge schult, kriegt den guten Blick. Bei vielen unbekannten Talenten geht die Karrierekurve steil nach oben, Wertsteigerung inbegriffen. Vieles am Kunstmarkt ist gut, nicht alles teuer. Daher, verehrte Damen und Herren, werden auch Sie aktiv. Nein, ich meine nicht bloß die sonntäglichen Wandertage durch die Museen, vorbei an barocker Üppigkeit und berühmten Klassikern, an großen Namen und alten Meistern. Ich kann Ihnen nur aus eigener Erfahrung raten: wagen Sie’s. Lassen Sie sich ein auf das Abenteuer Kunst. Was Sie davon haben? Keine Aktie an der Wand. Aber vielleicht Freude für’s Leben. Einsichten. Und gute Aussichten. Auf einen OscART, beispielsweise.


05
Sep

Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs:Von der Schindluder- und Krebsgefahr

Ja  eh.  Ich-Marketing. Neue Gesprächskultur und so.  Jetzt  wissen  wir ziemlich detailgenau,  dass  auch die zweite Ehe von Andrea K.  ex gegangen ist. Frisch und frei  genießt sie langes Baden. Ob sie vor lauter Glück auch ein Schweinsbratl ins Backrohr schiebt, ihre Genusszigaretterln wieder ausgepackt  und sich ein kleines Schwipserl anzwitschert, auf diese News warten wir noch. Hingegen wissen wir schon lange, dass Frau K.  in Flugzeugen und Nobelrestaurants bitte danke keine Kinder antreffen möchte; und ebenfalls seit längerem ist uns bekannt,  dass sie auch ab und zu  Sex hat, ihr Coming Out  erfolgte  vor Schulkindern und Jugendlichen. Eh okay, danke für die Auskünfte und  alles Gute für den weiteren Lebensweg.   Nun ist Frau K. aber nicht  irgendein Ex-Mausi , sondern  Österreichs Gesundheits- und Familienministerin.  Andrea Kdolsky ist amtierende Meisterin in der Kunst des Menschelns. Macht sie deshalb menschliche Politik? Und, äh,  wie wichtig ist die aufrechte Ehe in ihrem politischen Wertesystem? Zum Beispiel beim Kindergeld. Alleinerzieherinnen kriegen 30 Monate lang 400  bzw. 15 Monate lang   800 Euro,  die zusätzlichen sechs bzw. drei Monate können sie, anders als glückliche Paare, nicht beanspruchen.   Weil: Schindludergefahr!  Bekanntlich wimmelt es in unserem Land ja nur so von Scheinalleinerzieherinnen. Heißt also, gute Ehen sind der Ministerin  schon sehr wichtig. Prinzipiell.   Politisch.   Und menschlich? Apropos menschlich: Gebärmutterhalskrebs ist ist die zweithäufigste Todesursache für Frauen zwischen 15 und 44 Jahren,  weltweit sterben mehr Frauen daran als an Aids. Mit einer neu entwickelten  Schutzimmpfung  könnten 70-75 % der Erkrankungen verhindert werden.  Frauenministerin    Doris Bures will sie ins Kinderimpfschutzprogramm aufnehmen; die UNESCO unterstützt diese Initiative.  Aber Frau Kdolsky will nicht: die in drei Tranchen verabreichte Impfung sei mit 624 Euro zu teuer.  Das ist a) zynisch und b)  falsch, denn die Impfung erspart die weitaus kostspieligeren  Krebsbehandlungen, ganz abgesehen von den seelischen und körperlichen Schmerzen der erkrankten Frauen und ihrer Angehörigen. Vielleicht stellt sich der bekennende kinderlose Neo-Single Andrea K. ja doch  einmal die wirklich wichtigen Fragen. Nein, nicht die nach passenden  Männern zu ihren Highheels. Gesundheit ist unser kostbarstes Gut. 624 Euro sind eine wohlfeile Investition in die gesunde Zukunft unserer Mädchen. Und übrigens: die besten Genesungswünsche für den ministerlichen Sprechdurchfall. Vielleicht nützt Heilbadezusatz?


14
Aug

Reisen bildet - Designhotels

Die Ferien sind vorbei, die schönste Zeit im Jahr ist man  in Balkonien geblieben oder  in die Ferne geflogen,  durch kranke Wälder marschiert, in heimischen Seen geschwommen, verschwitzt oben auf den Gipfeln gestanden in aller Ruh, hat das himmlische Abend-Babyrosa bestaunt, sich sonnenbescheinen, regenberieseln und verwöhnen lassen. Man hat sich zu diversen Festspielereien begeben in tollster Abendmontur, hat Erholung und Kultur konsumiert,  detto italienische Weine, griechische Salate, malaysischen Reis, Salzburger Nockerln, indonesische Gewürze, österreichische Grillwürstchen, japanische Fischröllchen, amerikanische Hamburger. Man hat vorsichtig hinter kuhdreckverputzte Fassaden geblickt, ist bis zur Erschöpfung durch Städte getrottet und  sodann zurückgekehrt ins Hotelzimmer,  um die Blasen an den Füßen als touristische Trophäen zu bestaunen.  Edles Holz, samtweicher Spannteppich, die Minibar wohlsortiert, gutduftende Wässerchen und Cremes im Marmorbad, man schamponiert sich vergnügt das Haar mit Kamillehoniggel, schrubbelt sich mit zentimeterdick-kuscheligem Frottee ab, nimmt den Fön zur Hand, lustwandelt Richtung Panoramaspiegel, sucht frohgemut nach dem Stecker - und: denkste! Keiner da. Suchaktion. Immerhin ist das Hotel von einem berühmten Architekten gebaut, jedes Detail, so hat man es in der PR-Broschüre gelesen, jedes Detail ein kleines Kunstwerk, eine Hommage an traditionelle Landeskultur und internationale Kunst von morgen. Man wird schließlich in der Ecke neben dem Bett  fündig, Stecker ist da, aber  dafür kein  Spiegel. Mit dem Puderdosenpiegelchen in der linken, dem Fön in der rechten und der  Bürste in - ja, in welcher Hand? - macht man sich leicht missgelaunt ans Verschönerungswerk.Solcherart sensibilisiert für die technischen Macken der teuren Architektenbude entdeckt man womöglich ferner auch noch, dass der Klopapierhälter in denkbar schlechtem Winkel zum Klo hängt, nur mit zirkusverdächtigen Verrenkungen kriegt man das Papier  zwischen die Finger,  montiert die Rolle aus dem Designerding, stellt sie sich griffbereit vor die Füße, vergisst sie natürlich und kann sich - Stunden später - ausgiebig über ein klitschnasses, trauriges Klopapierröllchen ärgern; denn die Dusch-Glastür ist zwar formschön, aber undicht. Je nach Kontostand logiere ich auf meinen Reisen in tollsten Hotels oder bescheidensten Hütten, die  Liste an hotelarchitektonischen Mängeln und Gedankenlosigkeiten gerade bei Luxusherbergen ist ellenlang.Nach  innen aufgehende Klotüren in taschentuchkleinen Design-Bädern lösen  nicht nur bei korpulenteren Menschen klaustrophischen Frust aus. Oder, Hilfe,  Zimmer mit Fensten zum  überdachten Innenhof. Da stinkt es zwar garantiert nicht nach Abgasen, aber dafür nach Zigarettenrauch vom Nachbarzimmer; und klangvollendet sammelt sich unter der Glaskuppel das Gelächter, Geschnarche, Geschnattere und TV-Geplärre aller um den Innenhof gruppierten teuren Zimmer zu einer schlafraubenden Geräuschkulisse. Weil wach, würde man nun zumindest gern vom Bett aus  fernsehen, aber leider hat der hochangesehene STararchitekt das Fernsehgerät in den Kasten eingebaut, dessen geöffnete Tür - erraten! - die Sicht verstellt. Lesen ist auch keine Alternative,  denn die Nachttischlampe ist eher ein unscheinbares Funserl. Letztens bin ich auf 1.340 Schafe gekommen. Dann habe ich einer fremden Stadt beim Aufwachen zugeschaut.


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