Adele Neuhauser, Peter Marquant: “Der Anspruch an uns selber ist hoch, das schweißt zusammen” | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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29
Aug

Adele Neuhauser, Peter Marquant: “Der Anspruch an uns selber ist hoch, das schweißt zusammen”

Sie zählt fraglos zu den wichtigsten Schauspielerinnen des Landes, gleich dreimal wurde sie mit der Romy beliebteste Seriendarstellerin ausgezeichnet. Er ist einer der wichtigen abstrakten Maler Österreichs, der vor dreißig Jahren seinen Hauptwohnsitz in ein kleines Dorf auf Mallorca verlegte, weil er sich in die Grund- und Lebensfarben der Insel verliebte – und in seine spätere Frau, die mallorquinische Künstlerin Josefina Pino.

Sie heißt Adele Neuhauser, er ist ihr Halbbruder Peter Marquant. Sie spricht sprudelnd und temperamentvoll, er mit lakonischem Humor. Manchmal gehen die Erinnerungen auseinander. Etwa darüber, wann die Familie aus Athen wieder nach Wien zurückgekehrt sei. „Ich war sieben, ich bin in Athen nie in die Schule gegangen“, sagt Marquant. „Ich war sicher schon vier“, instistiert die fünf Jahre jüngere Adele Neuhauser. Geht sich rechnerisch irgendwie nicht aus. Egal. Diese biographischen Ungenauigkeiten verwundern nicht sehr, schließlich verlief die Kindheit der beiden, ja, durchaus turbulent.

Die schöne Mutter heiratete mit 16 den zwölf Jahre älteren Architekten Georg Neuhauser, bekam mit 17 den ersten Sohn, Alexander; verliebte sich ein Jahr später in den Lebenskünstler Gerd Marquant, gebar Sohn Peter. Folge vier Jahre später ihrem Ehemann Georg nach Athen. Im Jahr darauf kam Adele zur Welt. Irgendwann kehrte die Familie, so viel ist sicher, nach Wien zurück. Als Adele neun war, zog die Mutter mit dem 14-jährigen Peter aus, Alexander und Adele blieben bei ihrem Vater. „Er wollte unbedingt, dass seine Kinder bei ihm bleiben. Und ich war ein Papa-Kind, ich wollte auch bei ihm bleiben. Das Furchtbare war, dass ich mich dadurch gegen meine Mutter entscheiden musste. Für sie war das sicher schwer. Ich hatte lange ein schlechtes Gewissen.“ Mit zehn wollte sie sich die Pulsadern aufschneiden, bis zum 21. Geburtstag versuchte sie noch weitere fünf Mal, sich das Leben zu nehmen – „bis ich mich entschieden habe, zu leben.“ Und zu spielen.

„Seltsam war’s schon“, erinnert sich Peter Marquant, „wir Geschwister haben uns ja gut verstanden. Normalerweise bleiben die Kinder bei der Mutter. Vermutlich hat sie sich schuldig gefühlt. Geredet haben wir darüber eigentlich nie. Aber wir haben ihr nie einen Vorwurf gemacht.“ Er zog mit 16 von zu Hause aus. Lernte durch den Vater „ein Gemisch aus Künstlern und Spielern und Trinkern“ kennen. Verlor den Kontakt zu Adele. Schmiss die Schule. Wurde geprägt durch das künstlerische Milieu seiner Großeltern mütterlicherseits. Die Großmutter machte Gobelins, der Großvater Kunst am Bau. Mit ihm malte er, Schulter an Schulter, Felsen. Wälder. Schaffte wegen seines großen Talents ohne Matura die Aufnahme an die Akademie der bildenden Künste. War einer der Lieblingsschüler von Josef Mikl und Wolfgang Hollegha. Seinen Vater verlor er, da war er 24. „Ich habe ihn sehr vermisst.“

Als Adeles Vater vor wenigen Wochen starb, hatte sie gerade mit den Proben zu „Fasching“ begonnen, der Eröffnungspremiere der neuen Volkstheaterdirektorin Anna Badora, die Gerhard Fritschs Roman gemeinsam mit Roland Koberg dramatisiert hat. In einer Probenpause flog sie nach Griechenland und streute seine Asche auf der Insel Amargos ins Meer: „Es ist der Schritt ins Erwachsenwerden – und das ist kein schöner Schritt. Ich weiß nicht, ob ich es packen könnte, wenn auch die Mama so schnell gehen würde. Ich denke manchmal, sie weiß gar nicht, wie wichtig sie mir – uns – ist.“

Verfolgt Ihre Mutter Ihrer beiden Karrieren?

NEUHAUSER: Natürlich! Sie war und ist die Schaltzentrale, die Pressestelle, sie sammelt alle Zeitungsauschnitte über uns.

Wann haben Sie einander nach Ihren unterschiedlichen Lebensverläufen wiedergefunden?

NEUHAUSER: Das war eigentlich erst vor zehn Jahren, nachdem ich mich von meinem Mann getrennt und Peter gefragt habe, ob ich in seinem Wiener Atelier wohnen dürfte, bis ich was Eigenes gefunden habe. Ich habe Peter immer geliebt, aber diese letzten zehn Jahre waren sehr intensiv. Wir spüren, wie wichtig wir einander sind, nicht nur auf der menschlichen Ebene, sondern auch im Künstlerischen. Man merkt, wie schwer es ist, sich treu zu bleiben. Der Anspruch an uns selber ist sehr hoch und das schweißt uns auch zusammen. Wir wissen, was es bedeutet, wahrhaftig zu bleiben in der Kunst. Das ist nicht so einfach – in der bildenden ebensowenig wie in der darstellenden Kunst.

Wussten Sie immer schon, dass Sie beide einen künstlerischen Weg wählen?

MARQUANT: Adele wollte von klein auf Schauspielerin werden. Ich habe immer schon gern gezeichnet und gemalt als Kind. Ohne Matura sind ja einige berufliche Optionen ausgefallen. Ich habe mich ins Künstlertum gerettet. Adele, hast du eigentlich die Matura?

NEUHAUSER: Nein, das haben wir alle nicht hingekriegt (lacht). Kunst ist der freieste Weg, der dich am nächsten zu dir bringt. Dieses Zurückgeschleudertwerden auf dich selbst ist ein großes Glück! Mit einer Figur wachsen zu können! Oder der Schaffensprozess, den Peter durchmacht, aus dem Nichts etwas auf die Leinwand zu bringen…..

MARQUANT: …. Aus dem Nichts macht man gar nichts. Man kennt vieles aus der Kunstgeschichte. Darauf baut man auf.

Beobachten Sie, was Ihre Schwester macht?

MARQUANT: Neuerdings ja. Aber ich leide, wenn sie einen Blödsinn spielen muss. Ích frage mich immer: Ist sie jetzt maximal an die Grenzen gestoßen oder geht es noch weiter.

NEUHAUSER: Super Frage!

MARQUANT: Ich denke, es geht immer noch ein bissl besser. Ich bin bei dir sicherlich strenger als bei jedem anderen Schauspieler. Aber ich freue mich, dass du wieder Theater spielst. Du hast diese unglaubliche Bühnenpräsenz, die Power, um das Publikum zu erwischen. Ich glaube, das Theater ist deine Zukunft. Das Fernsehen ist eben das Fernsehen.

NEUHAUSER: Das sehe ich anders. Das Schöne am Drehen ist die Komplexität, von Null auf Hundert, das liebe ich. Die Kamera kriecht förmlich in dich hinein, sie sieht, was du denkst. Das Theater ist Magie. Allein der Raum birgt eine andere Konzentration.

Welche Rolle spielt der direkte Kontakt zum Publikum?

NEUHAUSER: Eine große! Ich glaube, das Publikum weiß gar nicht, welche Aufgabe es erfüllt. Sich hinsetzen und berieseln zu lassen: das geht nicht. Man muss mitleben, damit die Engerln durchgehen.

Auch ein Betrachter von Bildern muss sich auf die Kunst einlassen.

MARQUANT: Stimmt. Auch das Bild muss inszeniert werden, das habe ich anfangs nicht verstanden. Der Unterschied zu Theater und Film ist, dass der Betrachter ein Bild stunden-, tage- und wochenlang anschauen kann: Es ändert sich nicht. Ein Bild fängt die Zeit ein, die Zeit steht still. Nichts bewegt sich. Die Farben, Formen, alles bleibt gleich.

Würden Sie gern einen Film, also bewegte Bilder, machen?

MARQUANT: Das wäre schon interessant, aber es würde kein Spielfilm werden, sondern etwas Experimentelles, ohne Text, vielleicht mit Musik.

Würden Sie diesen Film mit Ihrer Schwester besetzen?

MARQUANT: Vielleicht, aber sie müsste wie eine Laienschauspielerin agieren. Das wäre eine neue Rolle (lacht).

NEUHAUSER: Pfff, das ist das Schwierigste! Ich habe fantastische Laienschauspieler erlebt, die haben eine Autenthizität, an die heranzukommen man jahrelang versucht. Laie: Was ist das? Die Neugier am Unprofessionellen, die Panne, die entsteht, der peinliche Moment …

MARQUANT: …Dass es peinlich ist, kriegt der Laienschauspieler nicht mit. Ein guter Profischauspieler muss meiner Meinung nach sowieso so sein wie ein Laiendarsteller.

NEUHAUSER: Na, wenn es um den Mut zur Peinlichkeit und Hässlichkeit geht: den hab‘ ich. Den brauch‘ ich mir nicht mehr erarbeiten. Da bin ich….

MARQUANT: …. knallhart (lacht).

NEUHAUSER: Ja genau. Und das finde ich, wenn man sich überhaupt selber loben darf, eine Riesenqualität. Man glaubt ja dem Perfekten nicht, weil es nicht menschlich ist. Viel spannender ist das, was nicht funktioniert, was erbärmlich und imperfekt ist. Auch Peter versucht nicht, das perfekte Bild zu malen, sondern ein positives Gefühl zu transportieren.

MARQUANT: Nein, das perfekte Marquant-Bild gibt es nicht; es gibt übrigens, finde ich, auch kein besonders typisches.

Schauspieler werden erkannt, Sie, Frau Neuhauser, sind ein Star. Viele Maler bleiben hinter ihrem Werk als Person unerkannt.

NEUHAUSER: Deshalb geht man ja zu Vernissagen, um den Künstler kennenzulernen und vielleicht zu fragen, was er sich bei dem Bild gedacht hat (lacht)….

MARQUANT:….da kriegst aber nicht viel zur Antwort. Also ich will auf keinen Fall ein Star sein. Da ist man ja gefangen. Aber du bist ja auch kein Star, Adele, sondern wenn es gut geht, bist du eine Volksschauspielerin!

NEUHAUSER: Das ist schön! Ich fühle mich auch so. Ich wollte nie ein Star sein, aber ich freue mich übe den Zuspruch der Menschen. Ich freue mich, wenn sie mich ansprechen und kennenlernen wollen.

MARQUANT: Weil sie glauben, dass du ihnen durchs Fernsehen vertraut bist.

NEUHAUSER: Und weil die Bibi im „Tatort“ und die Julie in „Vier Frauen und ein Todesfall“ gute Figuren sind. Ich habe großes Glück, Frauen spielen zu dürfen, hinter denen ich stehe. Aber leicht ist es nicht gewesen, den Erfolg schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel. Und weil du mich eine Volksschauspielerin genannt hast: Durch die beiden Figuren habe ich tatsächlich die Gelegenheit, dem Volk aus der Seele zu sprechen und es auch ein bisschen zu leiten….

MARQUANT: Wohin willst du es denn leiten: zur Zivilcourage?

NEUHAUSER: Natürlich! Noch dazu, wo die Welt sich immer deutlicher in einen Chaoshaufen verwandelt, muss man jeden mündigen Bürger am Schlawittl packen.



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