Andrea Schurian - Part 18

Andrea Schurian

Kunst Kultur Kommentare Kolumnen


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13
Mrz

Die kleinen Mozarts

In ihren Antrittsinterviews als Überraschungs-Ministerin für Unterricht und Kunst sagte Claudia Schmied flächendeckend so schöne Sätze wie: „In jedem von uns steckt ein kleiner Mozart.” Hallöchen! Liebe Frau, sagen Sie das mal ihrer Wiener Parteifreundin Grete Laska, Stadträtin für Jugend, Bildung, Information und Sport und zuständig für Wiens Musikschulen. Schlappe 30 davon gibt es in unserer schönen Bundeshauptstadt und die platzen aus allen Noten, äh, Nähten. Und daher hagelt es Absagen in sonder Zahl. Tränen, Frust, Musiklustverlust? Nicht so schlimm, findet Frau Laska und unterstellt den Eltern übertriebenen Ehrgeiz, weil, aufgepasst Frau Ministerin Schmied, die ja in ihren Kindern „immer gern den kleinen Mozart” erkennen wollen. Soll vermutlich heißen: Schluss mit bildungsbürgerlicher Attitüte und kulturdemokratischem Gesülz! Geige und Klavier war vor 200 Jahren. Heutzutage tut’s Topfklopfen auch.

Im Zuge der Effizienzsteigerung sollten wahrlich nur mehr hochbegabte Musikgenies an die Instrumente. Und im übrigen, die mit Geld leisten sich eh Privatunterricht.

Ja, und ist Wien nun bitteschön immer noch eine Weltstadt der Musik? Oder reicht es, in der Vergangenheit herumzumozartln? Studien des Musikpädagogen Hans Günther Bastian zufolge können Kinder, die ein Instrument lernen, nach drei Jahren ihre Intelligenzleistungen und vor allem das räumliche Vorstellungsvermögen verbessern, sie sind aufnahmefähiger, sozial kompetenter und selbstbewusster als nichtmusizierende Gleichaltrige. Ich nehme an, die UuK-Ministerin weiß das mittlerweile auch und hat mit ihrer Wiener Parteifreundin längst ein paar Takte Klartext gesprochen. Andererseits, und das ist halt wieder eine knifflige Frage, sind so schlaue, kompetente und selbstbewusste Kinder vielleicht eh nicht wirklich erwünscht. Hunderte Wiener Volksschulkinder haben - noch - keinen AHS-Platz, obwohl sie alle vorausgesetzten „Sehr guts” im Zeugnis vorweisen können. Irgendwo, so werden Eltern und Kinder vertröstet, werden sie schon unterkommen. Und die kinderfreundliche Idee von der Wunsch-AHS und die Sinnhaftigkeit von den Tagen der offenen Türen und Chancengerechtigkeit und gleiche Bildung für alle? Damit diese Fragen ja nicht von engagierten SchuldirektorInnen beantwortet werden, hat Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl den SchulleiterInnen vorsichtshalber einen Maulkorb umgehängt. Also alles bestens hier in Wien.

Oder, eigentlich, doch nicht so wirklich. Wie Sie es mit der Abschreibbarkeit von Kunstankäufen halte, wollte die „Presse” von der UuK-Ministerin wissen. Und die machte draus ein halblustiges Quiz: „Wann ist ein Kunstwerk ein Kunstwerk?” Und: „Wann ist ein Künstler ein Künstler?” Ganz lieb. Echt! Auflösung folgt das nächste Mal.


01
Mrz

LOKALAUGENSCHEIN TRASTEVERE

Ja was denn nun? Die einen seufzen, das Centro Storico sei überlaufen, eine riesige mulitnationale Besichtigungswoge schwappe täglich durch Rom, vom Forum Romanum übers Colosseum zur Spanischen Treppe, vom Pantheon zum Palatin, vom Trevi-Brunnen bis zum Vatikan, die einzige Ausnahme sei da gerade noch Trastevere. Falsch!, rufen die anderen , gerade und vor allem Trastevere sei doch so massentouristisch geworden, voller Menschen also wie Sie und ich, die den Tiber überqueren auf der Suche nach dem anderen Rom und im engen, winkeligen Gassengewirr das typische Flair des ehemaligen Arbeiter- und Künstlerviertels kaputt trampeln. Und wo sind wir Touristen nun wirklich? An diesem Vormittag jedenfalls nicht in Trastevere, das vom Vatikan-Bezirk übrigens nur durch ein Gefängnis getrennt ist - und durch den Gianicolo: dieser Hügel gehört zwar nicht zu den berühmten sieben, auf denen Rom erbaut ist. Aber er ist die auffälligste Erhebung der Ewigen Stadt. Typisch. So ist Trastevere: anders. „Noantri”-„Wir anderen” nennen sie denn auch ihr jährliches Volksfest, das am 15. Juli beginnt und nach zwei Wochen mit einem Riesenfeuerwerk endet.

Die Wäscheleinen vor den Fenstern erinnern an Neapel, die Graffitis an den verblichenen Hauswänden und die Künstlerlofts in den Nebenstraßen der Via Lungara an die Lower Eastside von New York. Ein paar alte Männer hocken auf wackeligen Stühlen vor einer kleinen, unscheinbaren Bar, trinken Kaffee und diskutieren übers Rauchverbot. Sie tun das nicht in noblem Römisch,sondern in Romanesco und statt des „l” sagen sie jedesmal ein „r”. Ein Priester eilt über den dornröschenverschlafenen Platz. Aus einer Kirche klingen leise Orgeltöne. „Buongiorno, Avvocato!”, ein Mofa knattert über das löchrige Kopfsteinpflaster. Ein paar Kinder rangeln auf dem Weg zur Schule, würdevoll spaziert ein altes Ehepaar vorbei und millimetergenau quetscht ein Lieferant seinen Klein-LKW durch eine hosenröhrenenge, mit Motorini vollgeparkte Gasse. Aus einem Fenster schiebt sich ein Besen, ein Kopf mit Lockenwicklern und energischer Stimme hinterher: „Luigi! Vieni qua!” Paare. Passanten. Sehr interessant: Trastevere - touristisch, aber ohne Touristen?

Seit 15 Jahren lebt die Österreicherin Nina Fürstenberg in Rom, genauer gesagt: in Trastevere. Und da will sie definitiv bleiben, Mitglied einer eingeschworenen Gemeinde: „Tagsüber tickt unser Viertel wirklich ganz anders als das restliche Rom. Trastevere ist wie ein Dorf, jeder kennt hier jeden”, schwärmt sie über die heimelige Idylle. Auch Massimo konstatiert diese dörfliche Stille. Aber die tägliche Ruhe vor dem abendlichen Ansturm stimmt ihn nicht froh. Massimo gehört die berühmteste Bäckerei des Viertels in der Via del Moro, weithin gerühmt für knuspriges Brot und köstlich belegte Pizzen aus dem Holzofen, für süßes Knabbergebäck und für Sachertorten, die fast besser schmecken als das Wiener Original.

„Unsere Nachbarschaft hat sich in den letzten 20 Jahren extrem verändert. Früher lebten hier vor allem Arbeiter, es gab viele kleine Handwerksbetriebe; Trastevere war das linke Widerstandsnest gegen Bourgeoisie und Aristokratie, gegen Kirchenherren und später gegen die Faschisten. Jetzt wohnen hier Freiberufler, Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten”, und deren Arbeitsstätten sind über ganz Rom verstreut, das Brot kaufen sie irgendwo, nur nicht mehr beim Bäcker im Viertel.

Um sieben Uhr früh sperrt Massimo auf, aber die Geschäfte florieren erst zwölf Stunden später, abends ab sieben. Denn dann kommen sie tatsächlich in Scharen: zuerst die - meist schwarzafrikanischen - Straßenhändler mit ihren gefälschten Handtaschen, Armbanduhren, Handtüchern, Halsketten, mit Tand und Kitsch aller Art; gefolgt von lebenslustigen Römern und abenteuerhungrigen Touristen; aus allen Ecken und Enden der Stadt strömen sie nach Trastevere zum Lokal-Augenschein, eine bunt gewürfelte, gut gelaunte Schicksalgemeinde ergießt sich in die kulinarische Hauptschlagader Via Lungaretta und verästelt sich in den Vicoli, den kleinen Nebengassen.

Dort, wo die Via Garibaldi auf die Via Lungara stößt, in einer kleinen Bar, treffen einander die Trastevere-Veteranen, die der hohen Mietpreise wegen an die Peripherie gezogen sind, und träumen von den guten alten Zeiten: „Früher hat es allein in der Via del Moro drei Lebensmittelläden gegeben, zwei Fleischereien und zwei Obsthändler. Daneben einen Tischler und weiter unten einen Tapezierer. Schau dich um. Jetzt gibt es nur mehr Restaurants. Überall Restaurants.” In der Tat scheint Trastevere der Bauch von Rom zu sein, mit hunderten Kneipen, bodenständigen Trattorien, Osterien, gehobenen Restaurants, Bars - und, natürlich, mittendrin so manche veritable Touristenfalle. Hohe Kosten für schlechte Kost? Nur nicht die gute Ausgehlaune verderben lassen, Rom ist schließlich Hauptstadt des „Menefregismo”, dieser zur Hochkultur verfeinerten kollektiven Wurschtigkeit.

Me ne frego! Pfeif drauf!, wenn der Wein schlecht war, wozu, bitteschön, gibt es denn Kopfwehpulver? Im Arzneien-Mischen hat Trastevere nämlich eine lange Tradition. 1650 gründeten die barfüßigen Karmeliter von Santa Maria della Scala eine Klosterapotheke, mehr als 200 Jahre lang züchteten die Mönche geheimnisvolle Kräuter und versorgten die Päpste und Kardinäle im benachbarten Vatikan mit Medikamenten. Erst vor knapp 30 Jahren wurde die klösterliche Alchimistenküche geschlossen. Tabletten für den akuten Bedarf gibt’s in der Apotheke im Stock drunter. Und sollten die nichts nützen, ist angeblich ist der schönste Platz zum Sterben sowieso in Trastevere, im Kloster Sant’Onofrio: dort nämlich, wo Torquato Tasso - nur einen Tag, ehe er auf dem Kapitol zum „Poeta Laureatus” gekrönt werden hätte sollen - am 25. April 1595 dahinschied. Der Blick von Tassos Grabdenkmal ist betörend schön auf Rom. Auf Trastevere, auf verschachtelte Häuser, von denen der Putz bröckelt, mit schäbigen Stiegenaufgängen und erstaunlichen Dachausbauten; auf kleine Straßen, die unversehens im üppigen Grün von Hinterhöfen enden, ein verwirrendes Labyrinth. Wer sich in Rom verlieren möchte, sollte sich nach Trastevere verirren. Und hier verlaufen. Aber nur keine Panik! Alle Wege…. Sie wissen schon……


28
Feb

Kinder: Fehlinvestition?

Vereinbar ist einfach so  und so einfach gar nichts. Ja, und im übrigen  langweilt mich die Debatte über Vollzeitmütter und Nurhausfrauen - und welch unbezahlbare Gesellschaftsarbeit zweitere leisten. Das tun berufstätige Mütter auch, erziehen Kinder, führen Haushalt. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass  sie zwischendurch null Zeit für Exkursionen ins Kaffeehaus oder Fitness-Center  haben.  Deutsche (Ex-)TV-Moderatorinnen klinken   sich  neuerdings besonders häufig in diese Debatte ein.  Noch in Erinnerung Eva Hermanns lockengewickelte Hausfrauenphilosophie: stets lächelnd und gut gekämmt,  ein Liedlein auf den Lippen, ein Kindlein an der Hand, wandert  frau durchs patriachale Märchenland (wo die schönen Jünglinge blühen und  reiche Ehemänner auf den Bäumen wachsen). Die deutsche Literaturkritikerin  und TV-Moderatorin Iris Radisch hat einen scharfsichtigen  Gegenentwurf nachgereicht: „Die Schule der Frauen. Wir wir die Famlie neu erfinden.” Die dreifache Mutter schreibt Klartext: „Nur anderthalb Prozent der Väter bescheiden sich aus familiären Gründen mit einer Teilzeitstelle, während genau dies über fünfzig Prozent der Mütter tun.” Die Zukunft liege weder  in einer größeren Verweiblichung noch in einer größeren Vermännlichung der Frauen, sondern:  „Die Männer müssen sich bewegen, sie müssen die männliche Hälfte der Welt mit uns teilen und die weibliche endlich erobern.” Die Mutti-kocht-Vati-arbeitet-Familienidyllen  sind passé. Was nun?

„An den evolutionären Grundgesetzen kommt man ohne Folgen nicht vorbei. Die Natur rächt sich an der Moderne, den hemmungslosen Einsatz der Pille bestraft sie mit Engpässen in der Rentenfinanzierung” schreibt Radisch. Und sie schreibt auch: „Kinder sind statistisch betrachtet inzwischen etwas für die niederen Stände. Hässlich gesagt: Kinder sind heutzutage im Großen und Ganzen etwas für die Dicken und Doofen.” Und daher wohl nichts für Ministerinnen.

Auch wenn, nein: gerade weil  es mich immer wieder unangenehm berührt, dass  FamilienpolitikerInnen über  Kinder nur als  einen in die Zukunft transferierten Geldwert  sprechen: rein ökonomisch gesehen sind Kinder  tatsächlich eine Fehlinvestition. Hätte ich keine Kinder, ich wäre reich, hätte ein Minus im Gesichtsfaltenbereich und dafür ein Plus auf der Bank. Aber dann gibt es da noch diese völlig irrationale Komponente namens „Liebe”:  Würde ich meine  Kinder nicht so innig  lieben - naja, da könnte mir schon die eine oder andere Party abgehen, von beruflichen Erfolgserlebnissen - ungehindert die Karriereleiter rauf statt runter - gar nicht zu reden. Außerdem ist diese Variante der privaten Altersvorsorge die denkbar  kostspieligste Möglichkeitsform.  Würden wir das, was wir  für Schule, Kindergarten, Babysitter, Ausstattung, Ferien, Freizeitvergnügen, Nachmittagsbetreuung, Sprach-, Sport-, Musik- und Theaterkurse etc. täglich, monatlich, jährlich  hinblättern, direkt  in eine private Pensionskasse einzahlen, meine Herrschaften! Unser Lebensabend wäre  echt sehr gehoben. Und, äh: Bin ich jetzt dick? Oder doof? Nächsten Donnerstag ist Frauentag.


28
Feb

Trastevere - Tipps

Sehenswürdigkeiten:

In Sachen Kulturdenkmäler ist Trastevere zugegebnermaßen nicht unbedingt ein Hotspot, wenngleich die älteste Marienkirche Roms hier steht:

Santa Maria in Trastevere, Piazza S. Maria in Trastevere: eine romanische Schönheit mit dezenten barocken Verzierungen und prachtvollen Mosaiken in der Apsis.

Villa Farnesina, Via della Lungara 230, Mo-Sa 9-13h. Götter und schöne nackte Göttinnen: Raffael und seine Schüler schufen die Fresken für diese Sommerresidenz eines Bankiers.

Santa Cecilia in Trastevere, P.zza di S. Cecilia. In dieser barockisierten Kirche wurde in jahrelanger Arbeit Cavallinis „Jüngstes Gericht” aus dem späten 13. Jh. freigelegt.

Die Apotheke Santa Maria della Scala, P.zza della Scala, ist meist nur einmal im Monat geöffnet Kontakt: Pater Rocco, Tel. (0039)06.42740571. Sehenswert auch die angrenzende Kirche der barfüßigen Karmeliter mit Reliquie der heiligen Theresa von Avila, ausgehendes 16. Jahrhundert.

Der Sonntag vormittag gehört in Trastevere nicht den frommen Gebeten, sondern den günstigen Geboten auf dem Flohmarkt an der Porta Portese. Ein verarmter Conte scheint höchstpersönlich das Familiensilber zu verscherbeln, molto elegante! Und sonst die übliche Flohmarktware: Fakes, CDs, Kleider, Plunder, Möbel, Kochutensilien, eine atemberaubende Geräuschkulisse. Und als besondere Draufgabe der Nervenkitzel, einem Taschendieb in die Hände zu fallen.

ESSEN in Trastevere:

Checco ar Carettiere, Via Benedetta 10-13, T: 06 05800985. gehobene Preisklasse

Von der Decke baumeln Knoblauchzöpfe,die holzvertäfelten Wände sind tapeziert mit Fotos weltberühmter Künstler, Schauspieler, Regisseure, Politiker, Dichter und Denker . Wenn Sie Roberto Begnini treffen wollen: versuchen Sie’s hier! Die typischen „Bombolotti alla matriciana” oder “Spaghetti alla Carbonara” kosten 15 €, die Hauptspeisen, wie etwa „Cotolette d’abbacchie panate con carciofi” - gebackene Lammkoteletten mit Artischocken - sbeginnen mit 20€.

Checco Osteria gleich rechts ist deutlich preisgünstiger.

Und in der Checco Pasticceria gleich links offeriert Familie Porcelli feinste Törtchen zum Espresso.

Trattoria da Lucia, Vicolo del Mattonato 2, T: 06 580 3601, mittlere Preisklasse. Mo Ruhetag

Patienza! Geduld! Eilige werden gleich gewarnt, auf die Schnelle kommt hier nichts auf den Tisch, dafür aufs Köstlichste: Freitags etwa „Baccala con pino e uva passa” - Stockfisch mit Pinienkernen und Rosinen. Berühmt ist diese Trattoria alten Stils auch für die „Spaghetti alla circia”, mit Käse, Speck und Pfeffer.

Ferrara, Via del Moro, T: 06 58333920 - die Bar Ferrara ist Treffpunkt für schicke Trasteverini: Journalisten, Künstler, Freiberufler; und wenn Ihnen vermutlich sehr gut geschmeckt hat, was Sie im cool gestylten Restaurant Ferrara gespeist haben, dann können Sie im Shop Ferrara die nötigen Zutaten fürs Nachkochen einkaufen.

Sabatini, P.zza Snta Maria in Trastevere. T: 06 581 2026, Mi Ruhetag

Wenn Sie Glück haben, dröhnt aus der Kirche Orgelmusik, während Sie die berühmten “Spaghetti di Vongole” aufrollen.

Alberto Ciarla, P.zza San Cosimato 40, T: 06 5818668 So Ruhetag teuer

Dieser Gourmettempel öffnet seine Pforten nur abends ab 20h, ausgenommen im Jänner und August. Da macht der Küchenchef und sein Team Ferien. Nicht versäumen sollte man hier die deftig-delikate „Zuppa di pasta e fagioli ai frutti di mare”.

Pancrazio:P.zza del Biscione 92, T: 06 6861246 Mi Ruhetag

Dieses Lieblingslokal des Österreichischen Kulturattachés liegt zwar nicht in Trastevere, ist aber ein echtes Muß für Gourmets und Geschichte-Fans gleichermaßen.Denn da, wo man heute die berühmten Canelloni nach Art des Hauses speist, sprach Cäsar seine berühmten letzten Worte: „Auch du, mein Sohn Brutus”.

Valzani
Via del Moro 37/B (Trastevere).
Giovanni Valzani gehört zu den wenigen Bäckern der Hauptstadt, die noch überlieferten römischen Rezepturen folgen. Bekannt ist Valzani für die typischen mostaccioli, panpepato und die fave dei morti, ferner für seine Schokolade - von Pralinen, über Sachertorte bis zu hausgemachten Ostereiern.

WOHNEN in Trastevere

Hotel Santa Maria: Vicolo del Piede 2¸Reservierung: santamaria@romeby.com

Dieses elegante 4-Stern-„Charming Hotel” befindet sich nur einen Steinwurf von der P.zza Santa Maria entfernt in einem Kloster aus dem 15. Jahrhundert, verfügt über Garten, Bar und Privatparkplatz. DZ ab 160€

Relais Le Clarisse via Cardinale Merry del Val, 20, T.- Fax. 0039 0658334437 | info@leclarisse.com

In allerbester Trastevere-Lage bietet dieses im Jahr 2005 renovierte Relais 3 geschmackvoll möblierte Suiten und 2 Doppelzimmer mit ADSL-Anschluss und und einen idyllischen Garten. Frühstück wird je nach Wunsch ans Bett, im Salon oder im Garten serviert. DZ ab 130€

Hotel Antico Borgo di Trastevere, Vicolo del Buco 7, customers@mbetravel.com

Zentral undr ruhig gelegenes B&B in einem Haus aus dem 18. Jh. ganz nah zur Ponte Garibaldi. Die elf Zimmer sind klein aber sauber. Und für Rom recht günstig: ab 95€.

Domus Tiberina via Piscinula, 37, reservation@hoteldomustiberina.it

Dieses B&B liegt ebenfalls nah zur Tiberinsel und daher günstig für Ausflüge ins Centro Storico. DZ ab 95€


20
Nov

Ausweitung der automobilen Kampfzone


Wir wissen jetzt also: Zumindest der Verkehrsminister arbeitet. Noch. Und zwar mit Vollgas.
a sicher können Sie mich fragen, ob ich keine anderen Sorgen habe in diesen Tagen: Da schweigen sich Vieraugen, Sechsaugen und Vieraugen-Untergruppen ausgiebig an, anstatt eine Koalition zu bilden - und ich beschäftige mich mit einem derartigen Orchideenthema. Aber dann frage ich zurück, ob der Verkehrsminister nicht auch andere Sorgen haben sollte in diesen seinen letzten Regierungstagen.

Wobei, auch wieder wahr, was sind schon Verkehrstote, Klimawandel, Umweltkatastrophen, Treibhauseffekt gegen die innenpolitische Eiszeit. Vielleicht war ihm ja auch nur fad, und er hat die Warterei auf das Ende seiner Ministerzeit mit Amtshandeln verkürzt. Die Folge: Endlich darf wieder ordentlich angegast werden - zumindest auf der Kärntner Rennstrecke Spittal-Paternion und retour.

160 km/h muss schließlich auch bei Regen, Nebel, Schnee, Glatteis und schlechter Sicht ausprobiert werden. Vermutungen, dass Rasen sowieso immer lebensgefährlich ist, vor allem aber bei schlechten Witterungsverhältnissen, müssen erst einmal bewiesen werden. Indizien wie etwa die, dass es heuer im September 20 Verkehrstote mehr gab wegen überhöhter Geschwindigkeit als im September des Vorjahrs, genügen dem Minister offenbar nicht.

Wir wissen jetzt also: Zumindest der Verkehrsminister arbeitet. Noch. Mit Vollgas. Tempo! Tempo! ist auch bei den Untersuchungsausschüssen angesagt. Dafür Vollbremsung bei den Koalitionsverhandlungen. Dieser Stillstand hat leider auch Auswirkungen auf die Tempo-Debatte: Es meldet sich niemand zu Wort. Kein Regierungskollege. Kein Koalitionsverhandler. Kein Oppositionspolitiker. Der erste Probegalopp auf der Kärntner Autobahn vorm Sommer war noch von lustigen Bekenntnissen begleitet, sogar der Kanzler brach sein viel gerühmtes Schweigen und gestand, hin und wieder die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Ja wenn’s denn so ist. Hoch der Mut!

Stellen wir uns vor, ein Spitzenpolitiker gibt zu, dass er ab und zu, nur als Beispiel, einen Joint geraucht, eine Linie Koks gezogen oder einen LSD-Trip eingeworfen hat; und als Konsequenz dieser Beichte werden die Drogengesetze gelockert. Unvorstellbar? Richtig. Also, die Geschichte geht natürlich so: Ein paar führende Politiker outen sich als Temposünder und flugs wird - nein, nicht darüber diskutiert, dass es eigentlich ein Skandal ist, wenn Politiker kokett Gesetze brechen. Sondern es wird um viel, um sehr viel Geld nun bereits zum zweiten Mal getestet, ob man das Gesetz nicht ändern könnte. Ja, eh: Völlig aus der Luft gegriffen, kein verantwortungsvoller Politiker würde Menschenleben aufs Spiel setzen und die Ausweitung der automobilen Kampfzone auf 160 km/h befürworten, nur um Gesetze den eigenen Geschwindigkeitsräuschen anzupassen.

Apropos Kampfzone und Räusche: Es schaut auch ganz sicher kein Politiker zu, wenn seine Bodyguards jemand anderen krankenhausreif prügeln; und wenn doch, beklagt er sich gewiss nicht über mediale Vorverurteilung. Zumal er selbst recht unzimperlich vorverurteilt: beispielsweise AsylwerberInnen und ImmigrantInnen als Sozialschmarotzer. Weshalb er sie gleich bus- und flugzeugweise außer Landes schaffen will.

So besehen wollte der noch amtierende Verkehrsminister vielleicht noch im letzten Regierungsmoment seinem orangen Parteichef zur Hand gehen. Denn billiger und effizienter als das Deportieren wäre allemal das erlaubte Tempobolzen: 160km/h auf der Autobahn als Pflichtgeschwindigkeit für AsylwerberInnen, MigrantInnen, AusländerInnen, denen man ihre Herkunft ansieht, sowie für SeniorInnen, denen man ihre Herkunft nicht anzusehen braucht (letzteres ein kreativer Beitrag zur Pensionsdebatte).

Da wir schon bei der natürlichen Bevölkerungsauslese sind: Weil sich eh immer mehr Fußgänger nicht drum scheren, ob die Ampel grün oder rot ist und über die Kreuzung latschen, wann immer es ihnen passt, also: immer!, könnte man die Ampeln ja auch genau so gut abschaffen. Eltern mit Kinderwagen sollen - sie chauffieren immerhin ein vierrädriges Fahrzeug - runter vom Gehsteig: Überlebenstraining von klein auf ist die Devise! Fahrradwege zwischen Parkspur und Fahrbahn könnten durchaus als Modell für aktive Sterbehilfe dienen. Nur die Fitten kommen durch. Die Langsamen sollen zu Hause bleiben. Speed kills. Oder so ähnlich.


02
Apr

Lizenz zum Töten

Vom Pech der falschen Geburt

Zum ethisch fragwürdigen Urteil des OGH, Eltern eines behinderten Kindes Schadensersatz zuzuerkennen, weil sie nicht über die drohende Behinderung ihres Kindes informiert wurden. Hätten sie es gewusst, hätten sie das Kind abgetrieben. Wrongful birth, nennt man das in Fachkreisen.

“Wirklich, Mami, ich freu mich so auf mein Geschwisterchen”, sagt das Kind und strahlt. “Aber wenn es uns nicht gefällt: Geben wir das Baby im Krankenhaus zurück? Oder werfen wir es lieber gleich in den Mistkübel?” Das Kind ist zwei, die Mutter entsetzt. Einige ausführliche Gespräche später weiß das Kind: Babys kann man nicht zurückgeben. Umtauschen. Wegschmeißen. Man darf sie nicht töten. In echt?, fragt das Kind. In echt. Sagt die Mutter. Oder?

Manche Menschen finden Baby-Töten okay. Peter Singer beispielsweise ist überzeugt, dass alle neugeborenen Babys innerhalb einer bestimmten Frist umgebracht werden dürfen, vor allem kranke und behinderte Babys. Der australische Moralphilosoph und Bioethiker hat da eine im wahrsten Sinn des Wortes “Praktische Ethik”(Reclam, 2. Auflage 1994) entwickelt. Seine Theorie in Digest-Version: Vom Lebewesen zur Person wird, wer Selbstbewusstsein hat, also sich selbst in der Zeit - und folglich auch in der Zukunft - erfassen kann und Zukunftspläne entwickelt. Neugeborene haben das nicht, also: Weg mit ihnen, zumal, wenn sie nicht den (elterlichen? gesellschaftlichen?) Erwartungen entsprechen.

Die Lizenz zum straffreien Töten begrenzt Singer mit einer einmonatigen Frist - erstaunlich willkürlich, wenn man bedenkt, dass die Fähigkeit zur Zukunftsplanung auch bei zwei Monate alten Babys nur sehr rudimentär ausgeprägt ist. Warum nicht gleich das erste Lebensjahr freigeben zum Mord - vielleicht entwickelt sich ja der anfängliche Wonneproppen mit vier Monaten zum Schreihals? Bei der nächsten Schwangerschaft wird alles wieder gut, also nur Mut, Eltern: Weg mit dem lebenswertlosen Klumpen Fleisch! Zeugt glückliche, gesunde Menschen nach Maß. Und zum gesellschaftlichen Nutzen. Klingt irgendwie zum Kotzen. Singer hat übrigens viele Anhänger.

Geben wir das Baby gleich im Krankenhaus zurück, Mami?

Ähnlich wie bei Neugeborenen argumentiert Singer auch bei geistig behinderten und sehr alten, senilen Menschen. Sie alle haben, nach Singer, keine Präferenz zu leben. Mehr noch: keine Lust zu leben. Schließlich ist nach Singer Optimierung zum Glück das Ziel alles menschlichen Handelns. Utilitarismus nennt man dieses philosophische Nützlichkeitslehre. Größtmögliches Glück für eine größtmögliche Zahl - das birgt Tücken. Bekanntlich ist ja das Glück ein Vogerl und fliegt bei Arbeitslosigkeit, Scheidung, Verlust nur allzu schnell weit, weit weg - soll diese Form von Glücklosigkeit konsequenterweise auch mit dem Tod geahndet werden? Das wäre doch eine neue Methode zur Reduzierung von Arbeitslosen (und nicht von Arbeitslosigkeit). Und überhaupt, gerät nicht jede durchschnittliche Lebensplanung dann und wann ins Stocken, kommt zum Erliegen? Überleben im Hier und Jetzt, mehr ist dann nicht drin. Wertloses, weil glückloses Leben: weg damit?

Peter Singer ist also Bioethiker, heißt so viel wie: Bio = Leben und Ethik = Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen in verschiedenen Lebenslagen und handelt von Normen und Maximen der Lebensführung, die sich aus der Verantwortung gegenüber anderen herleiten. Bioethik bedeutet im Wesentlichen philosophische Reflexion über den verantwortungsvollen Umgang des Menschen mit allem Leben. Auch auf die Gefahr hin, dass diese Fragen nach Eso-Kitsch, Kerzlschluckerei und Weihrauchschwaden klingen: Was bedeutet dann eigentlich “lebenswert” unter bioethischen Gesichtspunkten? Wer bestimmt, welches Leben etwas wert ist, mehr wert ist, folglich Mehrwert hat? Ist das behinderte Leben nichts wert? Handelt es sich folglich um ein wertloses Lebewesen? Ist es mithin menschlicher Abfall? Die glücksoptimerende Kosten-Nutzen-Frage ergibt das Paradoxon, dass schwer behindertes Leben nicht wertlos, sondern im Gegenteil sehr teuer ist: pflegen, betreuen, mit schmerzstillenden Medikamenten versorgen - sozusagen ein kostenintensiver Negativ-Posten im Bruttosozialprodukt. Weg damit.

Werfen wir es gleich in den Mistkübel, Mami?

In den Niederlanden ist Dr. Eduard Verhagen spezilisiert auf Neugeborenen-Euthanasie: . Nein, kein leichter Beruf, todkranke Kinder zu töten; und ja, die Fälle, die er in Interviews aufzählt, treiben einem die Tränen in die Augen, und voller Dankbarkeit schmiegt man sich an seine eigenen Kinder. Bitte auf alle Fälle lieber die Todesspritze als Verhungernlassen, besser ein schnelles Töten als Liegenlassen in einem Eck, da bin ich mit Dr. Verhagen einer Meinung. An die 650 Kinder sterben in den Niederlanden durch aktive oder passive Sterbehilfe. Schwerst behinderte Babys, sicherlich, nicht imstande, das Leben selbstständig zu planen: ein Motiv zum Töten.

Aber wer zieht wann und wo und wie die Grenze, gehören dann irgendwann auch Down-Kinder dazu, Schmetterlingskinder, intersexuelle Kinder, einfach: Kinder, die nicht der Norm entsprechen und deren Glück wir nicht verstehen können?

Dr. Verhagen zieht den Euthanasie-Bogen von Plato bis zur Gegenwart (nur die Euthanasie der Nazis passt nicht so ganz in seine philosophisch reine, rein philosophische Aufzählung). Alle Kulturen, sagt er, alle Kulturen haben lebensunwertes Leben ausgelöscht. Getötet. Es geradezu als Pflicht angesehen, die Gesellschaft von diesen behinderten Kreaturen zu “säubern”: “Menschen töten, töteten Neugeborene, seit sie Menschen sind”, sagt er. Oder, Dr. Verhagen, töten sie, obwohl sie Menschen sind?

Ärzte entscheiden über Leben und Tod. Frühchen werden mit aller medizinischer Gewalt am Leben erhalten - einerseits. Behinderte Kinder werden mit aller medizinischer Gewalt umgebracht - andererseits. Bioethik? Eltern, sagt Verhagen, würden ihn anflehen, dem Leiden ein Ende zu setzen. Dem Leiden? Oder: dem Leben?

Ich kann die Hilflosigkeit, Wut, Verzweiflung, Sprachlosigkeit, Trauer, Hoffnungslosigkeit der Eltern nur ahnen. Denn tatsächlich werden Väter und Mütter von der Gesellschaft in dieser größten Not allein gelassen: Behinderte, kranke Kinder, da sollen die Eltern bitte schön selber schauen, wie sie mit diesem Problem fertig werden. “Missgeburt”, sagen sie dazu nicht nur im Dorfwirtshaus, sondern auch in medizinischen Lehrbüchern. Und die Eltern schämen sich. Kein gesundes Kind auf die Welt gebracht - persönliches Versagen. Das kranke Kind - eine Last für die Familie. Die Familie - eine Last für die Gesellschaft.

Und ja, ich kann verstehen, dass - was? Dass Eltern sagen: Geben Sie meinem Kind die Todesspritze? Noch besser verstehen kann ich, wenn Eltern sagen: Helfen Sie meinem Baby, damit es keine Schmerzen hat. Machen Sie ihm sein kurzes Leben schmerzfrei. Lassen Sie mich bei ihm sein, geben Sie ihm Nahrung und Sauerstoff. Lassen Sie mein Kind nicht irgendwo liegen, lassen sie es nicht verhungern, verdursten. Aber doktern Sie, bitte, nicht an ihm herum. Es wird sterben - ganz ohne unser Zutun. Leben wird es nur mit unserer Hilfe. Ist das menschenunmöglich? Gar unmenschlich?

Vor 50 Jahren wäre mein herzkranker Sohn noch ein Todeskandidat gewesen (und in manchen Krankenhäusern und Weltregionen wäre er es wohl heute noch). Also gleich umbringen, ihm Leid ersparen, wenn der Tod doch sowieso sein früher Gast sein würde? Uns allen die Wartezeit aufs Sterben so kurz wie möglich machen?

“Hast du nie an Abtreibung gedacht, als du erfahren hast, dass dein Kind einen Herzfehler hat?” Oh doch, glauben Sie mir, diese Frage wird einem gestellt, manchmal ganz direkt, manchmal ein bisschen verschämter. Nein, habe ich nicht. Aber laut Auskünften der Ärzte kommen zunehmend weniger Kinder mit Herzfehlern auf die Welt. Warum wohl?

Geben wir es zurück? Oder werfen wir es gleich in den Mistkübel.

Ärzte raten einer hochschwangeren jungen Frau, ihr Kind noch knapp vor der Geburt abzutreiben: Es sei nicht überlebensfähig, weil sich die Lungen nicht ausgebildet hätten. Die Eltern entscheiden sich, das Baby auszutragen, es im Arm zu halten, solange es lebt. Das angeblich überlebensunfähige Baby ist heute ein fröhliches Schulmädchen mit Down-Syndrom und einem - mittlerweile korrigierten - Herzfehler. Die Fehldiagnose hätte dem Mädchen beinah das Leben gekostet. Ist es das, was unter “Optimierung zum Glück” zu verstehen ist?

Wir aufgeklärten, liberalen und sozialen Menschen bekämpfen Diskriminierung und Rassismus, wir fordern Gleichberechtigung für alle Menschen! Kampf der Behindertenfeindlichkeit! Da sind wir uns alle so unglaublich eins. Theoretisch. Und praktisch? Wo ist die Grenze für aktive Sterbehilfe, welche Behinderung wird mit dem Tod bestraft? Und: Wird die Todesstrafe gleich nach der Geburt verhängt oder noch knapp davor?

Zu 95 Prozent werden Kinder mit Trisomie 21 - also Down-Syndrom - abgetrieben, oft noch lange nach der Zwölf-Wochen-Frist. Wie ist das aber unter dem Antidiskriminierungsaspekt zu sehen? Um Missverständnisse auszuschließen: Nein, ich bin keine Abtreibungsgegnerin, ganz im Gegenteil. Ich befürworte die Fristenlösung. Frömmelnde Pro-life-Aktivisten, die vor Abtreibungskliniken Andachtsbildchen von drei Monate alten Föten verteilen, machen mich wütend. Ich halte Präimplantationsdiagnostik für vernünftig. Und, ja, mir ist die Widersprüchlichkeit meiner Argumentation wohl bewusst: Aber alles in mir sträubt sich gegen legale Abtreibungen bis knapp vor der Geburt, wenn der einzige Beweggrund die Behinderung des Babys ist. Herzstich im achten Monat als Akt weiblicher Selbstbestimmung? Nein. Ein Kind umbringen, weil auf dieser Welt nur Platz für gesunde, tüchtige, schöne, leistungsfähige Menschen ist? Ein unerträglicher Gedanke.

Vielleicht kennen Sie den Ausdruck “Wrongful birth”: in Kärnten haben Eltern eines behinderten Kindes auf Schadensersatz geklagt. Und, welch bitteres Wort in diesem Zusammenhang, gewonnen. Sie konnten vor Gericht glaubhaft machen, dass sie ihr Kind abgetrieben hätten, hätten sie bereits während der Schwangerschaft von den behandelnden Ärzten das Ausmaß der Behinderung erfahren. Schadensersatz für menschliches Leben. Schadensersatz für ein Kind mit Klumpfüßen und Wasserkopf: “Wrongful birth”. Wrongful life? Wie lebt es sich für dieses behinderte Kind mit Eltern, die ihm mittels Gerichtsurteil wissen lassen, seine Geburt sei ein böser Irrtum, ein Schaden.

Viele Behinderungen werden im Zuge der pränatalen Untersuchungen festgestellt. Was tun? Verzweifelte, überforderte Eltern suchen Rat bei Ärzten, wollen wissen, was die Behinderung real bedeutet. Ob das Baby geboren werden soll. Aber: “Die meisten Leute, welche die Beratung von Schwangeren durchführen, haben keinen blassen Schimmer von den Lebensdimensionen eines behinderten Kindes. Hier maßen sich Menschen an, ein Leid zu definieren, das sie nicht kennen”, sagte dazu einmal der Kinderarzt Ernst Tatzer, Leiter des Heilpädagogischen Zentrums Hinterbrühl.Ja, und über jenen Ärzten, die einen Schimmer haben, schwebt das Damoklesschwert der Klagsandrohung unter dem Titel: “Wrongful birth”.

Nun ist diese unsere Gesellschaft ja sowieso nicht gerade kinderfreundlich - es sei denn, es werden gerade die Pensionshochrechnungen für die nächsten 50 Jahre gemacht. Dann aber, bitte, sollen sie gesund sein, die lieben Kleinen. Sonst sind sie nämlich nicht lieb. Sondern nur teuer. Und liegen der Gesellschaft mit ihrer Behinderung lebenslang auf der Tasche, anstatt mit ihrer Arbeitsleistung die Pensionen zu garantieren.

In England musste ein 14-jähriges Mädchen mit Down-Syndrom sterben. Die Ärzte verweigerten eine Herz-Lungen-Transplantation, weil das Kind, so die ärztliche Argumentation, sowieso nie imstande wäre, ein selbstständiges Leben zu führen. Die Eltern wurden mit der ungeheuerlichen und menschenverachtenden Erklärung abgespeist, angesichts bestehender Organknappheit liege die Priorität bei einer gesunden Person. Down-Kinder dürfen also keine Organe empfangen. Aber, danke, danke!, nach ihrem Tod werden ihre Organspenden gerne entgegengenommen. Nichtsnutze? Lebens-Wert!

Ärzte, die ich sehr schätze, erzählen von schwerst kranken Neugeborenen; von Kindern, die nach Brandunfällen als verkohltes Stück Fleisch eingeliefert werden, nur mehr eine Frage der Zeit, bis sie sterben, in Qualen. Intensive Schmerztherapie, sodass diese Kinder nicht leiden müssen, schmerzfrei sind - wenn das schon aktive Sterbehilfe ist, dann: ja, bitte. Mit dem Garantiesiegel, dass die Grenzen nicht schwammig werden. Ich mag nicht akzeptieren, dass irgendwer über irgendjemandes Leben bestimmen darf. Weder es qualvoll mit fragwürdigen medizinischen Methoden in die Länge ziehen. Noch es vorzeitig beenden. Menschenwürde ist ein unteilbarer Wert.

Der Satz kam unvermutet und mit aller Brutalität: “Ans muass ma sagen: Unterm Hitler hätt’n de net überlebt.” Der Mann, sportliche 60, graue Haare, legte seiner Frau liebevoll den Arm um die Schultern. “De” waren geistig und körperlich behinderte junge Menschen in der Therme Oberlaa, die glücklich waren. Lachten. Spielten. Plantschten.

Ich bezweifle, dass man unverkrampft über Euthanasie diskutieren kann; auch wenn es schwere, schreckliche Fälle gibt, die aktive Sterbehilfe als einzige menschliche Alternative erscheinen lassen. Der Spiegelgrund ist immer noch sehr nah.


18
Aug

Herzens-Angelegenheiten III

Antwort auf die Replik “Keine Sorge, Frau Schurian!”, von Paul Simon und Günther Laufer

Schade, eigentlich. Da genehmigen sich zwei Kinderherzchirurgen mei nen Spectrum-Artikel zum Sonntagsfrühstück - und Ihre wahrlich dürftige Erkenntnis nach der Lektüre beschränkt sich darauf, dass ich ein herzkrankes Kind habe. Tja. Wichtige Männer brauchen Ruhephasen, und die können sie natürlich nicht damit vertun, einen Text vom Anfang bis zum Ende zu lesen, geschweige denn, sich mit dem Inhalt auch auseinanderzusetzen. Zugegeben, Geschichten über Kinder, die nach Herzoperationen schwer gehirngeschädigt nach Hause entlassen werden, schlagen sich auf den Magen, zumal auf den wochenendlich entspannten.

Und so lese ich also Ihren Artikel von Anfang bis zum Ende, frage mich, was Ihr Text eigentlich mit meinem zu tun hat (nichts nämlich) - und bin im Übrigen besorgter denn je über den Zustand der Kinderherzchirurgie. Wenn Sie alles so unbekümmert handhaben wie Fakten, Zahlen und Zitate, dann schaut’s ja wirklich finster aus. “Vergessen wird, dass komplizierte Operationen im 21. Jahrhundert nicht unbedingt eine höhere Sterblichkeit bedeuten”, schreiben Sie. Wie wahr! Und weiter: “Sie zitieren für das Hypoplastische Linksherz, das derzeit nur in Linz operiert wird, eine Sterblichkeit von 30 bis 40 Prozent.” Wen zitieren Sie da eigentlich? Mich? Ich habe nie Zahlen genannt, was ich hiermit nachhole: Ehe in Linz im Jahr 1997 das erste Mal ein Hypoplastisches Linksherz - erfolgreich! - operiert wurde, waren österreichische Kinder mit diesem sehr komplexen Herzfehler dem Tod geweiht oder mussten im Ausland operiert werden. In Innsbruck und Wien wird das hypoplastische Linksherz gar nicht operiert.

Seither liegt das Linzer Kinderherz-Team bei der Korrektur dieser schweren Missbildung im europäischen Spitzenfeld. In Zahlen (für jeden nachprüfbar auf der Homepage der Linzer Kinderherzen www.kinderherzzentrum.at): Seit 2003 wurden bis zum heutigen Tag in Linz 49 Kinder mit Hypoplastischem Linksherz nach Norwood operiert, nur vier starben, die Mortalitätsrate liegt wie an den internationalen Herzzentren unter 10 Prozent. An den kompetenzvernetzten Uni-Kliniken wurden in vier Jahren 20 Kinder mit einer Transposition der Großen Gefäße operiert. Gut so. In Linz waren es allein im vergangenen Jahr 25 Kinder - Mortalität: null Prozent. Sie argwöhnen in Ihrem Artikel, dass es in der Diskussion nicht um Qualitätsverbesserung geht, sondern bloß darum, die “Werbetrommel” für Linz zu rühren. Seltsam. Handelt es sich bei Kinderherzchirurgie eigentlich um Spitzenmedizin oder um ein Reinwaschmittel?

Nein, meine Herren. Ich halte die Kompetenzvernetzung übrigens nicht für eine österreichische Schein-, sondern schlicht für die teuerste und keineswegs effizienteste Lösung. Am Linzer Kinderherzzentrum werden in etwa so viele Operationen durchgeführt wie an den drei Medizin-Unis zusammen, darunter signifikant mehr High-risk-Operationen als an den anderen Zentren. In Linz sind fünf KardiologInnen und drei ChirurgInnen tätig, in Wien, Innsbruck und Graz insgesamt 18 KardiologInnen und zumindest sechs Kinderchirurgen. Und die fliegen jetzt kompetenzvernetzt hin und her? Wenn es denn zum Wohle der Kinder wäre.

Sie stellen richtigerweise fest, dass ein unbedeutendes Loch im Herzen nicht frühkorrigiert werden muss, weil es sich eventuell sogar selbst verschließt. Klar. Aber komplexe Herzfehler zeichnen sich bekanntlich nicht durch Spontanheilungen aus.

“Wir können uns nicht erinnern, dass wir Kinder warten lassen, bis es ihnen so richtig schlecht geht”, schreiben Sie. Und weiter: “Nicht früher ist besser, besser ist besser!” Liest sich richtig gut. In der Praxis klingt es dann halt anders. Nämlich so: “Bei der Chirurgenbesprechung wurde lange überlegt, was man machen kann: Dabei kamen die Kardiologen und Chirurgen auf folgende Vorgangsweise: Als erstes sollen wir abwarten, bis es A. schlechter geht . . .” (Den ausführlichen Bericht inkl. einiger “Fehleinschätzungen” der Wiener Kinderkardiologie können Sie übrigens unter www.gruppe-kinderherz.at/berichte nachlesen.)

Ihr Unterton ist, sagen wir, ironisch, wenn Sie von “selbst ernannten Spezialisten” schreiben, die noch nie bei einer Herzoperation im OP-Saal gestanden wären. Eine zugegeben interessante Variante für künftige kritische Diskussionen: Nur mehr Künstler dürfen sich fortan über Kunst äußern, Regisseure übers Theater, nur Bäcker die Qualität der Semmeln bewerten. Kinderärzte gefälligst schweigsam zu-, nein, natürlich: wegschauen und sich tunlichst auf Impfpässe und Halsentzündungen konzentrieren, ansonsten wird geklagt. Ja, und PatientInnen und Patienten-Eltern bitte schön in demutsvoller Haltung vor den mächtigen Medizinmännern verharren und im Übrigen den Mund halten. Wir tun Ihr Bestes. Dankeschön.

Nein, verehrte Herren Chirurgen, es geht mitnichten um mein persönliches Missbehagen; sondern, falls Sie den Artikel denn wirklich gelesen hätten, um den Umgang mit Fehlern, um den Umgang mit der Wahrheit. Um kompetente und menschliche Medizin. Ich nehme an, Sie hatten, vielleicht weil der Frühstückskaffee schon ausgekühlt war, keine Lust mehr, auch den letzten Absatz meines Artikels zu lesen. Ich will ihn gern wiederholen, weil er mir wirklich wichtig ist: Natürlich sind nicht nur in Linz, sondern auch an den Universitätskliniken in Wien, Graz und Innsbruck viele herzkranke Kinder gerettet, gut operiert und versorgt worden. Kritische Analyse ist nämlich nicht Wettbewerbsverzerrung, sondern einzige Chance, das Gute besser zu machen.


13
Aug

Keine Sorge, Frau Schurian!

Von Paul Simon und Günther Laufer (Spectrum) 13.08.2005

Über den Zustand unserer Kinderherzchirurgie: Herzensangelegenheiten, 2. Teil - zwei Chirurgen antworten auf Andrea Schurians Attacke im “Spectrum”.

Es ist Sonntagmorgen, man greift zu seiner Zeitung. Man liebt diese Zeit, auch ein Herzchirurg braucht Zeit zum Entspannen. Leider lässt die Überschrift auf der Titelseite des “Spectrums” nichts Gutes ahnen: “Herzensangelegenheiten, eine Attacke” von Andrea Schurian. Man liest zwei Seiten “Attacke” im “Spectrum”, weiß jetzt, dass Frau Doktor Schurian ein herzkrankes Kind hat und erfährt auch, dass sie im AKH in Wien so beraten wurde, dass sie höchst unzufrieden war. Aber sprechen wir von derselben Kinderherzchirurgie im AKH Wien? Wir sind Kinderherzchirurgen. In Wien beziehungsweise in Innsbruck. Wir können uns nicht erinnern, dass wir Kinder warten lassen, bis es ihnen so richtig schlecht geht. Das ärztliche Konzept heißt: Operation zum richtigen Zeitpunkt - und das ist meist der früheste Zeitpunkt. Frühkorrektur, das Zauberwort taucht auf. International und selbstverständlich auch bei uns wird aufgrund der deutlich gestiegenen Sicherheit der Operationen heute recht bald nach Diagnostizierung des Herzfehlers operiert, also meist innerhalb des ersten Lebensjahres und wenn notwendig auch im Neugeborenenalter. Schade, dass Andrea Schurian uns nie kontaktiert hat.

Und übrigens: Auch die “engagierten Buchautoren”, auf die sie sich beruft, waren nie bei uns im Operationssaal oder haben mit uns über “schreckliche Zustände” gesprochen. Dann hätten wir ihnen ja unsere Daten in Rohform, also “ungeschönt” zeigen können - denn Analysen sind nur so gut, wie es die eingetragenen Daten erlauben. Wir sind betroffen. Zu welchem Zweck werden die Eltern unserer kleinen Patienten verunsichert? (Außer wenn das Ziel sein sollte, für das Kinderherzzentrum in Linz die Werbetrommel zu rühren. Aber muss das medial auf dem Rücken unserer Patienten passieren?) Eltern, die mit ihren Ängsten zu uns kommen, uns ihr Kind buchstäblich in die Hände legen.

Wir dürfen an dieser Stelle als Vertreter des universitären Kompetenznetzes zur Behandlung angeborener Herzerkrankungen (Wien, Graz, Innsbruck) Stellung nehmen. Wir halten denselben Qualitätsstandard wie nicht nur das Zentrum in Linz, sondern auch international renommierte Herzzentren. Wir entwickeln unsere Techniken weiter, besuchen andere führende Zentren, wir laden Experten ein, um neue Methoden zu etablieren. Wir machen ebenso wenig die Augen zu vor Fehlern und Komplikationen wie die Kollegen in Linz. Medizin ist nicht schwarz oder weiß, sondern hat viele Schattierungen. Wir nutzen alle unsere Erfahrungen, die guten und ganz besonders die schlechten, für die Zukunft. Muss Frühkorrektur immer sein? Warum soll man ein relativ unbedeutendes Loch im Herzen, das dem Kind keinerlei Beschwerden macht, gleich oder bald nach der Geburt operativ verschließen, wenn dieses Loch sich selbst verschließen oder aber mit drei Jahren mittels Herzkatheterschirmchen ohne eine große Operation geheilt werden kann?

Ja, wir unterscheiden uns gelegentlich in der Entscheidungsfindung von den Kollegen in Linz! Aber nicht aufgrund mangelnden Engagements oder Mutes oder schlechter Ergebnisse, sondern weil wir - vor dem Hintergrund einer Universität - zum Teil auf andere Ressourcen zurückgreifen können und weil wir es immer abgelehnt haben, der Zentrumsstatistik wegen Operationen durchzuführen. Zugegeben, in unserer sogenannten schnelllebigen Zeit ist es natürlich angenehm, ein “Problem” rasch beseitigt zu haben. Aber aus unserer Sicht bleibt es eine Operation - und also wesentlich traumatischer als ein minimal invasiver Kathetereingriff. Wir geben den Kindern, wenn keine Beschwerden auftreten, die Chance, ohne Operation gesund zu werden. Wir können es nicht verstehen, wenn Kinder von manchen Kollegen noch immer zur “Frühkorrektur” nach Linz geschickt werden und dort auch tatsächlich operiert werden. Nicht früher ist besser, besser ist besser! Die Medizinuniversitäten in Graz, Innsbruck und Wien haben kürzlich ihre Zusammenarbeit im österreichischen universitären Kompetenznetz für angeborene Herzerkrankungen vorgestellt. Eine österreichische Scheinlösung, vermutet Andrea Schurian, da doch ein angesehener Herzchirurg gemeint hat: Es genügen zwei statt vier Zentren für das kleine Land. Allein mit großen Zentren lässt sich aber keine Qualität machen, wie die erste vergleichende europäische Statistik zeigt. Wir glauben, dass wir mit dieser Vernetzung für ein Land mit jährlich 600 bis 700 herzkranken Neugeborenen den richtigen Mittelweg gehen.

Die Ergebnisse der Jahre 2003 und 2004 bilden die Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit und zeigen uns im europäischen Spitzenfeld. 2003 und 2004 wurden insgesamt 382 beziehungsweise 387 Operationen durchgeführt. Mehr als ein Drittel der Kinder war unter einem Jahr alt. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern betrug 25 respektive 27 Prozent. Die Operationssterblichkeit betrug in Wien 2,25 beziehungsweise 2,48 Prozent und für das gesamte Kompetenznetz 1,71 beziehungsweise 2,32 Prozent. Im Vergleich lag die Sterblichkeit in Linz bei 2,64 und 3,79 Prozent. Alle Zentren schnitten besser als der europäische Durchschnitt ab, der bei 4,8 Prozent lag! Die europäischen Daten lagen erstmals 2004 für 13.508 Patienten vor, die in 26 Zentren zwischen 1999 und 2003 operiert wurden. Seit vier Jahren haben wir bei der arteriellen Switch-Operation - einem technisch schwierigen Eingriff, der bei mehr als 20 Neugeborenen durchgeführt wurde - kein Kind verloren. Im Rahmen des Kompetenznetzes führen wir diese Operation jetzt auch in Innsbruck durch - im letzten Halbjahr viermal und erfolgreich.

Jede weitere Schlussfolgerung zum schlechten Zustand der Herzchirurgie in Österreich ist bei dieser Ausgangssituation an den Haaren herbeigezogen und gleicht einer Hetzkampagne. Selbst ernannte Spezialisten - keiner von ihnen ist Kinderkardiologe oder Kinderherzchirurg - behaupten, die höhere Sterblichkeit in Linz hänge mit der Tatsache zusammen, dass komplexere Operationen durchgeführt werden. Vergessen wird, dass komplizierte Operationen im 21. Jahrhundert nicht unbedingt höhere Sterblichkeit bedeuten. Sie zitieren für das hypoplastische Linksherz, das derzeit nur in Linz operiert wird, eine Sterblichkeit von 30 bis 40 Prozent. Heute liegt diese aber vielerorts unter zehn Prozent! Hier leben die Kritiker in der Vergangenheit des 20. Jahrhunderts. Andererseits werden Herztransplantationen bei Kindern und der Einsatz von Kunstherzen nur an den Universitäten durchgeführt - Eingriffe, die auch international mit erhöhtem Risiko behaftet sind. Wie man die Dinge auch dreht und wendet, der Versuch emotional motivierter simpler Bewertungen muss scheitern.

Eine seriöse Bewertung lässt sich nur mit international anerkannten Scoring-Systemen finden. Die objektive Beurteilung von medizinischen Leistungen und besonders von Operationsergebnissen ist ein hochaktuelles und wichtiges Thema. Theoretisch ermöglicht sie Vergleiche zwischen Ärzten und Spitälern. Sie soll als Orientierungshilfe für Patienten dienen, sagt dem Spitalserhalter, ob gute Arbeit geleistet wurde, und der Politik, ob die zur Verfügung gestellten Mittel optimal eingesetzt wurden. Ziel der Zusammenarbeit im Kompetenznetz ist es, Systeme zur exakten Qualitätserfassung zu etablieren und ein System der zentralen Datenerfassung zu erstellen, das die Komplexität der Erkrankung und der Operation berücksichtigt. Denn anders als bei der industriellen Fertigung von Motoren, wo ein Stück dem anderen gleicht, ist bei Menschen unterschiedlicher genetischer Ausstattung selbst bei definierten Erkrankungen die quantitative, aber auch qualitative Ausprägung unterschiedlich. Besonders schwierig ist die Situation in der Kinderherzchirurgie, wo 200 Diagnosen etwa 150 Operationen gegenüberstehen.

Erst 1999 wurde in Zusammenarbeit der europäischen und amerikanischen Herzchirurgengesellschaft eine standardisierte internationale Nomenklatur für Diagnosen und Operationen etabliert. Erst seit kurzem also ist es möglich, einheitliche Datensätze zu generieren. Dennoch ist die Operationssterblichkeit statistisch nicht einfach zu bewerten. Dazu muss der Grad der Erkrankung, der Zustand des Kindes, die Gesamtkomplexität der Operation, die Notwendigkeit mehrerer gleichzeitiger Eingriffe bedacht werden. Wir befinden uns erst am Anfang.

“Wenn keine ausreichende wissenschaftliche Antwort auf ein Problem existiert, dann hat die Meinung der Mehrheit den Wert einer Wahrheit”, riet Aristoteles. Diesem Grundsatz folgend, erstellten renommierte Kinderherzchirurgen eine Einschätzung der Komplexität der verschiedenen Diagnosen und Operationen. Daraus hat sich der europaweit vorerst als Arbeitsgrundlage akzeptierte Aristoteles-Score entwickelt, der es erstmals ermöglichen soll, nicht nur Sterblichkeit, sondern auch die “operative Performance” - also Leistungsqualität - zu erheben.

Trotz hervorragender Ergebnisse an den drei Standorten Wien, Graz, Innsbruck ergeben sich durch die Kooperation deutliche Vorteile. Behandlung und technologischer Fortschritt verlangen eine zunehmende Spezialisierung. Die Zahl der Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen, die das Erwachsenenalter erreicht haben (derzeit etwa 20.000 in Österreich) und vielfach spezielle Langzeitprobleme bereiten, steigt.

Wir wollen auch in Zukunft die Versorgung von Patienten mit angeborenen Herzerkrankungen internationalen Qualitätsstandards entsprechend an allen drei österreichischen Medizinuniversitäten und damit regional und wohnortnah sichern. Damit können lange, für die kleinen Patienten oft lebensgefährliche Transportwege zu entfernten Zentren vermieden werden. Es müssen nicht die Patienten zwischen den Zentren transferiert werden, nein, die Experten kommen direkt ins jeweilige Zentrum. Dies garantiert auch eine wohnortnahe Nachsorge, die bei diesen Patienten oft lebenslänglich erforderlich ist. Verzögerungen in Diagnose und Behandlung, wie sie bei der Nachsorge in weiter entfernten Zentren zu erwarten wären, können verhindert werden.

Und schließlich: Das Kompetenznetz hat auch auf europäischer Ebene Modellcharakter, da die vielfach als beispielhaft zitierten amerikanischen Verhältnisse nicht unmittelbar übertragbar sind. Institutionelle Kooperationen auf nationaler und europäischer Ebene könnten hier eine erfolgreiche Alternative darstellen.

Es ist Sonntagmorgen, man greift zu seiner Zeitung. Auch wir, Andrea Schurian, sorgen dafür, dass unsere Patienten optimal versorgt werden.


06
Aug

Ich bitte Sie herzlich!

Etwa 700 Kinder kommen in Österreich jährlich mit einem Herzfehler auf die Welt. Mein Sohn ist eines davon. Über den Zustand unserer Kinderherzchirurgie: Herzensangelegenheiten, eine Attacke.

Und überhaupt sei der Zustand der österreichischen Kinderherzchirurgie nicht von allgemeinem Interesse, sagt der Ressortleiter eines Wochenmagazins. Klar, zu kleine Fall-Zahl: Nicht ganz ein Prozent, genauer gesagt, minimale 0,8 Prozent der Babys kommen in Österreich mit einem Herzfehler zur Welt, wen, bitte schön, soll das denn kratzen außer die betroffenen Eltern? Zur Auflagensteigerung vermutlich schon lieber verpfuschte Nasen, schlecht abgesaugte Fettpölsterchen, Dellentäler am Bauch: Das interessiert die verehrte Leserschaft. So ist das, danke schön.
So gesehen sollte man sich, sagen wir, lieber ein Auto zulegen als ein chronisch krankes Kind. Continue Reading »


25
Jun

Franz Ringel: Der Künstler als Serientäter

Farbiges Formengewirr, dichtes Liniengestrüpp, rabiate Striche und Striemen, Vergitterungen, Figuren und Köpfe, Geschichten und Gesichter, Assoziationen, Wirklichkeiten, Mythen, Mäander - auf den Bildern von Franz Ringel geht es heftig zu; der Künstler quasi ein malender Serientäter, der mit mächtigen, wütenden Hieben die Leinwand streichelt, Protokoll führt über seine Ängste, Obsessionen, über seinen Schmerz, seine Trauer, seine Leidenschaften, Forschungen, Erkenntnisse. „Ringel malt keine Ideen. Er coloriert bloß seine Geister”, schrieb sein Dichterfreund Wolfgang Bauer 1999 und weiter: „Durch Ringel auf den Verdacht gekommen: Irgendwie schauen die Bilder ihren Malern ähnlich (Nicht nur bei Selbstportraits!)”

In der Tat sind Franz Ringels Wege von der Wiege bis zur Kunst, vom Landarbeitersohn zum Kunst-Star, so verschlungen wie die Farbschnüre auf seinen Bildern. Sein Vater ein Findelkind, aufgelesen unterm Gebüsch, aufgewachsen unter lauter anderen Findelkindern auf einem Bauernhof, im Brotberuf Roßknecht und Landarbeiter, die Mutter Wäscherin. Franz Ringel wächst auf einem Landgut in der Nähe von Graz auf, eine vogelfreie Kindheit ohne Verbote, „nur um acht Uhr abends haben wir zu Hause sein müssen, denn da ist das Haus zugesperrt worden.” Nachbarn auf dem Gut in St. Martin bei Graz war der damalige steirische Landesschulinspektor; seine französische Ehefrau eine Intellektuelle, zu ihrem Bekanntenkreis gehörte Sartre, sie war im spanischen Bürgerkrieg und in der Resistance. Nach einem schweren Verkehrsunfall besagten Landesschulinspektors erledigte der damals achtjährige Franzi die Einäufe für das Ehepaar, ein willkommenes Kontrastprogramm zum elterlichen Arbeitermilieu. Als der Ehemann wieder genesen war, fragte er in der Familie Ringel an, ob Sohn Franz fortan nicht für immer bei ihnen wohnen dürfte?

Ein moralisches Angebot, dass niemand ausschlagen mochte: die Eltern nicht, die einen Esser weniger im Haus hatten. Und der kleine Franz auch nicht, dessen Zukunftsperspektiven sich schlagartig verbesserten. Mit seinen Zieheltern übersiedelte er später in die Stadt; zu seinen leiblichen Eltern hatte er nach wie vor ein gutes Verhältnis, der Vater war bei allen Ausstellungen in Graz dabei, denn „Vernissagen haben ihm immer gefallen, er hat gern Gesellschaft gehabt. Ich habe ihn auch mitgenommen zum Wolfi Bauer ins Forum Stadtpark, da hat den Gustav Ringel jeder gekannt. Das hat ihm wirklich getaugt.”

In Graz besuchte der Ringel die Hauptschule, der Schlingel trieb dort allerdings allerhand Unsinn und flog schließlich gemeinsam mit seinem besten Freund Hans Kresnik von der Schule. Beide enfants terribles, damals. Und heute. Kresnik begann damals eine Lehre als Werkzeugschlosser und endete als Starchoreograph mit erhöhtem Verstörungspotential. Franz Ringel wurde von seiner Ziehmutter daheim unterrichtet und schloss die 4. Klasse extern ab.1954 besuchte er endlich die Keramikklasse bei Professor Adametz auf der Kunstgewergeschule in Graz, und übersiedelte 1959 nach Wien: „Ich wollte so schnell wie möglich aus Graz wegkommen. Vor lauter Eile bin ich schließlich sogar im falschen Zug gesessen und über die Oststeiermark nach Wien gefahren.” An der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien studierte Ringel vorerst bei Hans Knesl und wechselte schließlich 1960 an die Akademie der bildenden Künste zu Sergius Pauser. Der schmiss ihn allerdings nach einem Jahr hinaus, Ringel absolvierte das Bundesheer und kehrte ein Jahr später an die Akademie zu Albert Paris Gütersloh zurück. Selber unterrichten hat ihn nie interessiert. „ Aber heute arbeiten alle darauf hin, Professor zu werden, bevor sie noch ihr Studium fertig gemacht haben” wundert er sich.

Seit den 60er Jahren ist Franz Ringel berühmt und berüchtigt in der Kunstszene (Nicht nur in der österreichischen). Mehr als hundert Bilder hat allein Karl-Heinz Essl gesammelt - geordnet nach Themenblöcken bilden sie nun den Schwerpunkt der Ringel-Retrospektive im Essl-Museum. Auch ganz frühe Arbeiten aus dem Jahr 1957 sind darunter: Holzschnitte, entstanden noch auf der Kunstgewerbeschule in Graz. Der angehende Künstler wurde damals mangels Verkaufserfolgs von den Zieheltern finanziell unterstützt - bis, ja, bis Franz Ringel anlässlich eines Grafikwettbewerbs in Innsbruck den Kunstkritiker und Kulturmanager Otto Breicha kennenlernt. Oder, anders formuliert, Otto Breicha erstmals auf die Kunst von Franz Ringel aufmerksam wird. 1964 stellte Ringel erstmals in der Wiener Secession aus: damals noch als Solist, vier Jahre im Sextett mit Martha Jungwirth, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Wolfgang Zeppl-Sperl. Titel der Gemeinschaftsausstellung: „Wirklichkeiten”. Der „Aufmarsch der Krokodile” (©Alfred Schmeller: „Die Sehschlacht am Canal Grande”) wurde heftigst kritisiert: „Die großen Chefs waren damals die Phantastischen Realisten. Und wir waren ihre Gegner.Wir waren eigenständig. Die ‚Wirklichkeiten’ waren ja eher eine lose Geschichte, es war keine Philosophie dahinter oder Politik.” Abgesehen von einem museumsreifen „Wirklichkeiten-Block”, den Breicha damals erwarb, war der auch der erste Sammler des jungen Franz Ringel:. „Der Breicha ist damals ins Atelier gekommen, hat auf ein paar Bilder gezeigt und gefragt, was die kosten. I hab’s ehrlich nicht gewusst”, erinnert sich Franz Ringel und lacht vergnügt: „I hab ja bis dahin noch nichts verkauft gehabt. Der Breicha hat dann 200 Schilling pro Blatt angeboten. Ein Wahnsinn”, sagt Ringel und lacht wieder sein typisches, verhaltenes, ironisches Lachen. „Zum Vergleich: meine Miete damals war 150 Schilling im Monat. Er hat 500 Schilling angezahlt! Das war unglaublich viel Geld für mich und ich bin vor lauter Glückseligkeit mit einem roten Schädel abgehaut. Und mit dem Zeppl-Sperl haben wir in der AIDA bei der Oper gefeiert.” Ach ja, nur zum Vergleich: die Blätter, die damals 200 Schilling gekostet haben, die sind heute für 5.200 zu haben -5.200 Euro natürlich. Nicht Schilling.

Herzig, Robert Zepl-Sperl: „Sechs malende Krokodile sperren den Rachen auf, schnappen nach dem Betrachter, sind menschengierig, figurativ, gehen aufs Ganze: nicht auf Streifen, Muster, Abgezogenes. Sie schnappen: der gute Biss für jeden. Die ‚Wirklichkeiten’ sind heute gefährlich wie die Schläfrigkeit der Echsen”, schrieb Alfred Schmeller am 17. 5. 1968 für die Süddeutsche Zeitung über die sechs jungen Maler, Jahrgang 1940 bis 1944, die von dem Kritiker Otto Greicha aufgespürt und zusammengefasst wurden. „Die ‚Wirklichkeiten’ sind damals sehr heftig kritisiert worden. Damals waren ja die Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus die großen Chefs”, erinnert sich Franz Ringel: „Die Wirklichkeiten waren ja eher eine lose Geschichte, da war keine Philosophie dahinter oder Politik. Aber wir haben immer gemeinsam ausgestellt.” Und, sagt Franz Ringel, er halte heute immer noch Kontakt zu den Wirklichkeits-Malern.

Er persönlich sei damals vor allem von der „Cobra”-Gruppe fasziniert gewesen: Der Name COBRA ist aus den Anfangsbuchstaben der drei europäischen Hauptstädte Copenhagen, Brüssel und Amsterdam abgeleitet, jenen Zentren, von denen aus die COBRA-Künstler unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gemeinsam agiert haben. COBRA-Kunst war spontan und experimentell, wichtige Impulse gab es von Kinderzeichungen, der Kunst von Außenseitern und primitiven Kulturen; typisch die Kraft der Farben, die spielerischen Phantasie - gepaart mit Humor und Lebensfreude.

Zufall? Schicksal? Anlässlich der Jugendbiennale in Paris wurde Weltstar Jean Dubuffet auf die Psycho-Malerei aus Österreich aufmerksam, kaufte Ringel gleich drei Bilder ab und vermittelte ihn an eine Pariser Galerie. Auftakt zu einer lebenslangen Freundschaft - und einer internationalen Karriere.

Seine Bilder aus den 60er Jahren haben Ringel berühmt und berüchtigt gemacht. Das Unbewusste wurde ihm zur Energie- und Motivationsquelle, über die Jahre fließen in die Darstellungen psychologischer Zustände geschichtliche und literarische Bezüge ein. „Es ist schwierig zu sagen, wie etwas entsteht. Wenn etwas fremd ausschaut, wenn ich etwas nicht kenne: das interessiert mich. Die schönsten Momente beim Malen sind, wenn etwas fremd wird.” Kein Wunder, dass ihn Odysseus, Orpheus und Dante - die Abenteurer in der Fremde - zu Bildzyklen inspiriert haben.

In den 1980er Jahren gab es in Ringels Kunst einen augenfälligen Bruch: „Ich kann mich erinnern, dass damals ein Sammler ins Atelier gekommen ist und gesagt hat: ‚Franz, des kannst mir net antun’. Ich hab ihn aus dem Atelier gehaut.” Der wilde Ringel malte lötzlich Stillleben! Blumen! Porträts! „Das davor: das war zu eng. Die Veränderung war wie Luft auslassen. Ich habe mir gedacht, ich kann ja so viel. Warum spiele ich das nicht aus?” Parallel zum Malstil veränderte Ringel auch seine persönlichen Lebensumstände - oder waren es vielmehr die veränderten Lebensumstände, die ihn zu einem neuen Malstil verhalfen? Damals lernte Ringel seine vierte Frau kennen: Maria, seinen Lebensmenschen. Viermal war er insgesamt verheiratet: beim ersten Mal, als 21jähriger, war er gleichzeitit auch der Vormund seiner damals 17jährigen Frau. das erste Kind, Katrin, war bereits unterwegs, während der Schwangerschaft zur zweiten Tochter Jasmin ging die Ehe aber auch schon wieder in die Brüche.


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