Helga Rabl-Stadler: "Ich weine nur aus Trauer" | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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24
Jul

Helga Rabl-Stadler: “Ich weine nur aus Trauer”

Zwanzig Jahre an der Spitze der weltberühmten Salzburger Festspiele und kein bisschen leise. Oder gar langsam. Lift? Dürfen andere nehmen. Die Präsidentin geht lieber zu Fuß. Ist schneller – und hält schlank. Kein Haar an der falschen Stelle, keine Knitterfalte im Sakko oder im Gesicht. Der Stress hält sie jung, der Job auf Trab. An die 200 Events absolviert Helga Rabl-Stadler im Sommer, Premieren, Cocktails, Arbeitsessen, Galadiners. Seit 1995 ist Salzburgs Festspiel-Präsidentin im Amt, hat ein halbes Dutzend Intendanten kommen und die meisten vorzeitig wieder gehen sehen. Doch zum Feiern ist ihr nicht zumute. Am 27. Juni musste sie sich von ihrem Vater, dem legendären ORF-General Gert Bacher, für immer verabschieden.

Eigentlich hatte die studierte Juristin, gelernte Journalistin, ehemalige Wirtschaftskämmerin, ÖVP-Nationalratsabgeordnete und Mode-Unternehmerin für 2014 das Ende ihrer Präsidentschaft geplant. Doch dann stellte das Kuratorium dem damaligen Intendanten Alexander Pereira den Chefsessel vorzeitig vor die Festspieltür, Helga Rabl-Stadler blieb.

Ich habe damals geschrieben, der einzige starke Mann in Salzburg ist eine Frau, nämlich Sie.

Helga Rabl-Stadler: Das hat mir damals auch durchaus gefallen. Obwohl wir beide es ja nicht wirklich als Kompliment auffassen, wenn jemand sagt: ‚Die arbeitet wie ein Mann.‘ Einer Frau wird immer noch vorgeworfen, wenn sie Macht nützt. Ich nütze sie, nur durch Macht bekomme ich Gestaltungsmöglichkeit. Aber ich habe nie mit weiblichen Waffen gekämpft. Mitarbeiterinnen, die weinten, weil etwas nicht funktionierte, sagte ich unner: Man weint, wenn ein lieber Mensch stirbt oder das Kind schwer krank ist, aber nicht, weil man beruflich etwas nicht durchsetzen kann. Ich weine nur aus Trauer.

Vor zwei Jahren verloren Sie Ihre Mutter…

Rabl-Stadler:…… zwei Tage vor Eröffnung der Festspiele…..

…… dieses Jahr starb Ihr Vater unmittelbar vor Beginn der Festwochen. Wieviel Disziplin braucht es, sich nach außen nichts von dem Schmerz anmerken zu lassen?

Rabl-Stadler: Natürlich wäre ich gern manchmal allein, um der Trauer freien Lauf zu lassen. Als meine Mutter starb, war es härteste Disziplinierung. Das wiederholt sich jetzt beim Vater. Ich kann die Vorstellungen mit diesem Schmerz im Herzen nicht genießen. Musik rührt immer das Innerste, die Seele an. In dem Moment, wo sie anhebt, denke ich, wie sehr auch die Eltern die Kunst geliebt haben. Und wie stolz sie auf mich waren. Diese Erinnerungen machen mich traurig.

Konnten Sie sich von Ihrem Vater verabschieden?

Rabl-Stadler: Es war für mich eine fast unerträgliche Zeitspanne von 22 Tagen, in der ich lernen musste, aber nicht wollte, dass mein Vater seinem Ende entgegenkämpft. Eine brutale Form von Verabschiedung.

Macht einem das auch die eigene Endlichkeit bewusster?

Rabl-Stadler: Ich denke sehr oft an den Tod. Besonders, da ich innerhalb von fünf Wochen drei liebste Menschen verloren habe: Den politischen Weggefährten und persönlichen Freund Bernd Schilcher, den Künstlerfreund Helmut Lohner und meinen unersetzlichen Vater. Ich sehne mich danach, an ein Weiterleben nach dem Tod zu glauben, damit ich sie alle wiedersehe.

Was bevorzugen Sie zu Hause: Musik oder Stille?

Rabl-Stadler: Stille! Ich höre zu Hause fast nie Musik, nur Sonntag in der Früh Bach oder Mozart. Ich lese viel, derzeit Brecht, dessen „Dreigroschenoper“ dieses Jahr einen Schwerpunkt bei den Festspielen bildet. Außerdem lese ich gerade die Fahnen des neuen Buches unseres Eröffnungsredners Rüdiger Safranski. Wunderbar! Er beschäftigt sich mit der Zeit, mit der Macht, die sie über uns hat.

Was ist Zeit? Eine Illusion, wie Albert Einstein sagte?

Rabl-Stadler: Das ist die Frage. Ist sie das Maß unseres Lebens? Zu dem darf man sie nicht werden lassen. Manchmal spürt man die Zeit gar nicht, da denke ich mir: ‘Ach, bin ich jung und fesch’. Dann wiederum holt mich die Wirklichkeit ein und ich würde am liebsten in die Uhren greifen, damit die Zeiger nicht weiterlaufen. Selbstverständlich wäre ich gern jünger!

Endlich gibt das jemand zu, danke! Ich glaube es nie so recht, wenn Menschen sageb, wie froh sie doch sind, endlich fünfzig oder sechzig zu sein.

Rabl-Stadler: Ich find’s auch eine Heuchelei. Natürlich rennt einem mit zunehmendem Alter die Zeit davon. Jungsein allein ist aber auch keine Qualität. Ich bin überzeugt, ein souveräner Umgang mit der Zeit ist wichtig für ein sinnerfülltes Leben. Auch das gehört zum Erfolg meines Lebens: Mich nicht mit Dingen aufzuhalten, die ich nicht ändern kann. Ich kann die Zeit nicht stoppen, ich kann nur sorgfältiger mit ihr umgehen. Ich bin doch, beruflich gesehen, ein Kind des Glücks, dass ich in meinem Alter so gestalterisch tätig sein kann. Das hält wirklich jung!

Seit 2011 gibt es nur mehr zwei Direktoriumsmitglieder, Sie sind Präsidentin und zudem kaufmännische Direktorin.

Rabl-Stadler: Ich habe 2010 als Konsequenz des Finanzskandals der Osterfestspiele auch die kaufmännischen Agenden übernommen - entgegen der Ratschläge vieler Freunde. Diese Doppelfunktion bedeutet enorm viel Arbeit. Ich plädiere ganz stark dafür, dass man nach mir die Funktionen wieder trennt.

Bleibt Zeit für ein Privatleben?

Rabl-Stadler: Nein, doch das ist kein Opfer für mich. Es war zwar nicht mein Lebensziel, Single zu sein. Aber jetzt ist es so und ich bedaure es nicht. Ich habe erwachsene Söhne, süße Enkel, gute Freunde. Ich gehe gern alleine zu Veranstaltungen und Einladungen. Ich bin nie einsam. Im Gegenteil, ich brauche das Alleinsein. Dass jemand bei mir einzieht? Nein! Das ginge nicht mehr.

Fällt Ihnen eigentlich das Sammeln von Sponsorengeldern schwer?

Rabl-Stadler: Manche glauben, man kann dem Sponsor die Pistole an die Brust setzen, Geld oder Leben. Das geht gar nicht. Ein Mensch, der Geld gibt, muss merken, dass wir mit Leidenschaft unsere Projekte vorantreiben wollen. Trotzdem, das Auftreiben von Geldern bei öffentlichen und privaten Financiers ist eine extrem undankbare und aufreibende Arbeit. Darum bin ich dankbar, dass ich mit Sven Eric Bechtolf und später mit Markus Hinterhäuser zwei Freunde zur Seite habe, die mich nicht als kaufmännischen Spießer darzustellen versuchen. Last but not least bin ich nicht nur ständig bei privaten Sponsoren vorstellig, sondern uch Bittsteller bei der öffentlichen Hand - obwohl die Salzburger Festspiele bekanntlich ein gutes Geschäft für die Republik sind! Derzeit muss ich betteln gehen, damit der Brandschutz im Großen Haus auf den neuesten Stand gebracht werden kann. Dabei werde ich manchmal behandelt, als wollte ich ein Orchideenprojekt zur höheren Ehre der Frau Präsidentin realisieren. Das ärgert mich furchtbar!

Sind Sie nachtragend?

Rabl-Stadler: Nein! Ein Mensch, der so vielen Leuten – Vorgesetzten ebenso wie Gleichgestellten oder Mitarbeitern - ins Gesicht sagt, was er für die Wahrheit hält, darf nicht nachtragend sein.

Weitere Vorzüge und Schwachpunkte der Präsidentin?

Rabl-Stadler: In Seminaren, die ich nie besuche, wird einem immer geraten, man solle als schlechte Eigenschaft ‘Ungeduld’ nennen, das klinge sympathisch, weil man ja was weiterbringen wolle. Also sage ich: Mein Schwachpunkt ist in großen Maßen meine Ungeduld (lacht). Worauf ich offen gesagt ziemlich stolz bin, ist, dass ich nie mit jemandem geschrien habe. Da ich zwei relativ cholerische Elternteile hatte, fand ich, der Bedarf in der Familie sei diesbezüglich gedeckt. Außerdem kann ich mich gut selber motivieren. Muss ich auch, denn wer motiviert eine Chefin? Und ich kann auch gut andere motivieren. Ich kann gut loben! Und ich bin nicht eifersüchtig, im Gegenteil. Wenn ich Frauen um die dreißig sehe, die richtig gut sind, freue ich mich von Herzen.

Welchen Rat geben Sie jungen Frauen am Beginn ihrer Berufslaufbahn?

Rabl-Stadler: Lernen! Lernen! Lernen! Ich bin überzeugt, dass Frauen lernfähiger sind als Männer. Wir haben nie geglaubt, so gescheit zu sein, deshalb empfinden wir lebenslanges Lernen nicht als unverdiente Strafe.

Ihre Präsidentschaft endet 2017. Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?

Rabl-Stadler: Nein. Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass ich mir im ersten Jahr ein Haus in der Toskana oder in Umbrien miete. Jedenfalls werde ich sicher nicht in Salzburg sein. Ich möchte nicht in Versuchung geraten, unerbetene Ratschläge zu geben.

(Das Interview erschien im Juli 2015 in der Zeitschrift WOMAN)



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