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09
Mai

Fall Amstetten: Ethische Mindeststandards

Auch wenn der Slogan auf den Erfindungsgeist der Vorchefin zurückzuführen ist, als geübte ORF-Kundschaft wissen wir: alles bleibt gut, nur nicht die Quote, weshalb das elektronische Leitmedium erst kürzlich die Gebührenerhöhung flugs durchgepeitscht hat und als Köder für die Zuschauerschaft leichte Kost auslegt, Wettsingen, Rauskicken, serielle Ware aus den USA, so gesehen öffentlich-rechtliches Markenprogramm. Und dann die Information. Qualität. Objektivität. Unabhängigkeit. Seriosität. Alles tiptop. Tatsächlich? Beispiel: Amstetten. Fast alle österreichischen Qualitätsmedien haben sich rechtzeitig daran erinnert, dass, wenn man den Namen des Täters nennt, auch den der Opfer kennt. Weshalb der Nachname des Täters und die Vornamen der Opfer abgekürzt, somit ein Minimum an Privatsphäre und Intimität gewahrt und dennoch das Informationsbedürfnis der Konsumenten befriedigt wurden. Dies also unterscheidet Qualität von Boulevard, öffentlich-rechtliches von privatem Fernsehen, ORF von RTL. Nur leider: nein, wahr ist vielmehr: ZiB goes Explosiv und gab postwendend Namen des Täters und Vornamen der Opfer preis. Die Missbrauchsopfer wurden neuerlich missbraucht.

Ja, und vielleicht könnte man in den nächsten Tagen von der Bundeskanzel herab nicht predigen, dass „unserer Jugend keine neue Erbsünde” angedichtet werden dürfe (was war eigentlich die alte?), sondern bittebitte endlich dem Herrn Niederösterreich-Chefermittler F.P. die Amateuranalysen verbieten. Unerträglich, wenn er in einem Zeitungsinterview verständnisvoll diagnostiziert, dass „Josef F. ein Getriebener seiner sexuellen Energie” war; geradezu obszön, wenn er über den Täter als „guten Menschen” schwadroniert, der „Sinn für Grünes, für seinen Garten” gehabt und „selbst das Verlies mit viel Liebe zum Detail eingerichtet hat.” Nicht nur, dass das Wort „Liebe” in diesem Zusammenhang furchtbar unpassend ist, diese Liebe beschränkt sich auf ein paar Abziehbilder am Alibert und raubt ansonsten Ermittlungsbeamten den Atem, weil schlecht durchlüftet, stickig, feucht, eng, finster. Eben ein Kellerloch. Und nix da von Liebe.

Und übrigens: manchmal ist es richtig fein, weder Barbara Rett noch Jörg Haider noch Gitti Ederer, kurz: nicht prominent zu sein. Weil wer hält schon gern fröhlich grinsend ein Jugendbild des Missbrauchsopfers in die Kamera, um Österreich in „Österreich” zum Spenden zu animieren?

ZiB2-Anchorman Armin Wolf hat dieser Tage die Jury für den Alfred-Worm-Preis unter Protest verlassen, weil das Magazin News, das diesen Preis auslobt, in seiner voyeuristischen Berichterstattung über den Missbrauchsfall von Amstetten ethische Mindeststandards missachte. Angesichts der ORF-Aufarbeitus wirkt das nun doch ein bisschen, äh. Ja. Genau.



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