Volksopernchef Robert Meyer: “Nicht etwa, dass wir in Geld schwimmen” | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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21
Okt

Volksopernchef Robert Meyer: “Nicht etwa, dass wir in Geld schwimmen”

ASch: Sie spielen derzeit in “Guys and Dolls” , proben “Häuptling Abendwind” , werden im November die Kinder-Pop-Oper”Antonia und der Reißteufel” von Christian Kolonovits inszenieren. Ist das jetzt neue Mode unter Wiens Theaterdirektoren oder eine Konsequenz der Wirtschaftskrise: möglichst viel selber zu machen?

Meyer: Im Moment ist es zugegebenermaßen ein bisschen stressig. Und was “Häuptling Abendwind” anlangt: Ich habe das Stück mindestens 25-mal am Akademietheater als Soloabend gemacht, kenne es daher sehr gut und es war von Anfang an klar, dass ich das selber inszeniere. Wir haben nach einem leichten Abend gesucht, der wenig Personal braucht: Kein Ballett, keinen Chor, nur ein kleines Kammerorchester und nur ein Bühnenbild.

ASch: Der regieführende Direktor spielt selber: aus Sparsamkeit?

Meyer: Ich glaube, es ist für die Vermarktung vielleicht nicht so schlecht, wenn der Direktor selber mitspielt.

ASch: Wenn der Regisseur Meyer dem Schauspieler Meyer etwas anschafft - wer setzt sich durch?

Meyer: Der Meyer!

ASch: Theater mit knappen Mitteln: eine spannende Herausforderung?

Meyer: Absolut! Ein Spielplan mit ganz großen, tollen Stücken, die viel Geld kosten, ist kein Kunststück. Früher wurde furchtbar viel gejammert. Ich denke, das tut dem Haus überhaupt nicht gut.Ich habe auch gar keinen Grund zu jammern. Nicht etwa, dass wir in Geld schwimmen, weiß Gott. Aber wir versuchen, mit dem Budget auszukommen.

ASch: Sinken Ihre Auslastungszahlen durch die Wirtschaftskrise?

Meyer: In der vergangenen Spielzeit, als die Krise begonnen hat, haben wir nichts bemerkt. Da lagen wir bei 83,3 Prozent Sitzplatzauslastung. Derzeit kann man noch nicht sagen, wie sich die Saison entwickeln wird.

ASch: Das Libretto zur Faschingsburleske “Häuptling Abendwind” von Jacques Offenbach schrieb Johann Nestroy - übrigens sein letztes Stück für die Bühne …

Meyer: … und es ist hochaktuell, da geht es um Fremdenhass, um Nationalismus. Großartige Sätze!

ASch: Der vollständige Titel lautet: “Häuptling Abendwind oder das gräuliche Festmahl” . Erinnern Sie sich noch an Ihr gräulichstes Festmahl?

Meyer: Das war bei einem familiären Begräbnis. Ich werde nie vergessen, wie meine Mutter versucht hat, ein ganzes Tortenstück zwischen Blumentöpfen verschwinden zu lassen.

ASch: Kochen Sie gern?

Meyer: Nein, ich gehöre offenbar zu den wenigen Schauspielern, die nicht leidenschaftlich gern kochen.

ASch: Was tun Sie dann leidenschaftlich gern - außer Regie führen und Theater spielen?

Meyer: Zur Entspannung mit meinem Hund spazieren gehen.

ASch: Wenn Sie die Menschen erkennen: Werden Sie dann wegen Ihres Programms angesprochen?

Meyer: O ja. Meistens sind die Menschen begeistert und dankbar. Nur selten passiert, was mir vor der Premiere von “Rigoletto” in der U-Bahn widerfahren ist. Ich habe mich hinter der Zeitung versteckt, aber das nützte nichts. Ich musste mir von einer älteren Dame anhören, wie schrecklich die Volksoper ist. Und das Schlimmste für mich war (lacht): dass sie meine Inszenierungen fürchterlich fand, weil sie zu lustig waren.

ASch: Dann war für Sie die U-Bahn-Fahrt ja eine gute Einstimmung auf die folgende Premiere: Haben Sie die Buhrufe für Regisseur Stephen Langridge überrascht?

Meyer: Die Inszenierung ist aufregend, spannend, konsequent umgesetzt und zutiefst berührend. Aber ich habe damit gerechnet, dass manche sagen würden:”Mit dieser Interpretation kann und will ich nicht.” Dass Langridge die Handlung vom herzöglichenHof in die Cinecittà verlegt hat, wo der Duca kein Herrscher, sondern ein Filmstar ist, hat manche verstört. Aber wer hat denn heute über Frauen unendlich vielMacht? Die berühmten Filmstars.

ASch: Wie gehen Sie persönlich mit Buhrufen um?

Meyer: Ich habe noch nie welche bekommen. Aber ich kann mich erinnern, als wir an der Burg Hamlet in der Regie von Klaus Maria Brandauer gemacht haben. Als er ausgebuht wurde, ging er an die Rampe, legte den Zeigefinger an den Mund. Es wurde mucksmäuschenstill. Dann verbeugte er sich und ging.

ASch: Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann beteuert, dass er keine Kritiken liest. Und Sie?

Meyer: Keine Kritiken zu lesen nützt gar nichts. Weil: Sie kriegen sie sowieso um die Ohren. Spätestens in der Kantine wird das Erste, was ein Kollege sagen wird, sein:”Also, was sie über dich geschrieben haben: Wirklich eine Sauerei.”

ASch: Haben Sie sich übrigens schon angeschaut, was Hartmann am Burgtheater macht?

Meyer: Nein. Wenn ich einen Abend frei habe, gehe ich ins Musiktheater, um mir Sänger und Dirigenten anzuhören.

ASch: Mit Ihrem ehemaligen Chef Claus Peymann haben Sie immer heftig gestritten. Würden Sie die Straßenseite wechseln, wenn Sie ihn treffen?

Meyer: Peymann hat jemanden gebraucht, mit dem er streiten konnte. Den hat er in mir gefunden. Aber als er ans Berliner Ensemble ging, war ich der Erste, der dort gespielt hat. Er hat mich für einen Soloabend geholt. Das letzte Mal habe ich ihn übrigens beim Begräbnis von Fritz Muliar getroffen.

ASch: Sie sagen, Sie streiten gern - auch mit Ihrem Ensemble?

Meyer: Ganz vermeiden lässt sich das in einem Haus mit 550 Mitarbeitern nicht. Aber ich habe einen guten Draht zum Betriebsrat. Ich versuche hier, ein familiäres Klima zu schaffen

Zur Person:
Geboren 1953 in Bad Reichenhall, Bayern, war Robert Meyer von 1974 bis 2007 Ensemblemitglied (und lange auch Ensemblevertreter) am Wiener Burgtheater und verkörperte hier mehr als 90 Rollen. Seit 2007 leitet der Träger des Nestroy-Rings und der Kainz-Medaille die Volksoper

 



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