Hermann Nitsch: Heiliger Ernst im Kunstelysium | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

Andrea Schurian

Kunst Kultur Kommentare Kolumnen


XML Feed


30
Mrz

Hermann Nitsch: Heiliger Ernst im Kunstelysium

ExistenzFest” heißt die Ausstellung von Hermann Nitsch im Wiener Theatermuseum. Seit Mitte der 1950er-Jahre entwickelt der Aktionist sein Orgien-Mysterien-Theater und hat auch an großen Theater- und Opernhäusern inszeniert

Unabhängig davon, dass man ihn und seine Kunst zeitlebens geschändet und bis in die Gegenwart verfolgt habe; und dass er, der all sein Geld immer in seine Kunst gesteckt habe, nun in finanziellen Nöten stecke: Unabhängig davon also möchte er festhalten: “Ich sage immer begeistert und leidenschaftlich Ja zum Leben. Denn es sind mir auch viele Ehrungen zuteilgeworden, zum Beispiel der Triumph, am Wiener Burgtheater mein Orgien-Mysterien-Theater zu zeigen.”

Gut gelaunt saß Hermann Nitsch bei der Pressekonferenz anlässlich seiner Ausstellung ExistenzFest im Theatermuseum zwischen Museumschef Thomas Trabitsch und dem Kurator Hubert Klocker, dem Leiter der Sammlung Friedrichshof. Von ihm, der über das Performative in Nitschs Kunst dissertiert und 1989 die große Aktionismusausstellung in der Albertina kuratiert hatte, fühlt sich Nitsch “sehr, sehr gut verstanden.” Und das will wahrlich etwas heißen.

Denn der Orgien-Mysterien-Theatermacher und Sechs-Tage-Spielleiter, der gesamtkunstwerkende Aktionist, der Regisseur von Opern- und Theaterproduktionen, der Komponist und Schriftsteller vertraut ungern einer anderen Sicht auf sein Werk als der seinen: “Normalerweise mache ich alle meine Ausstellungen selber. Diesmal gab es nur eine minimale Beratung meinerseits - und ich bin sehr glücklich.” Nitsch hat allen Grund dazu. Hubert Klocker hat einen gleichermaßen eleganten wie aufschlussreichen Lehrpfad durch das umfangreiche OEuvre des permanenten Grenzüberschreiters geschaffen.

Und das lässt sich tatsächlich nicht kunsthistorisch schubladisieren; Nitschs künstlerisches Tun führt beständig über den Aktionismus hinaus in ein exzessives Kunstelysium, wo sich Theater, informelle Malerei, Literatur, Musik und auch Architektur zu einem synästhetischen Ereignis fügen. Davon erzählt Klocker aufregend unaufgeregt mit der in theatralisches Halbdunkel getauchten Werkschau (Im Anschluss wird sie in der Münchner Villa Stuck zu sehen sein). “Ich glaube”, sagt er, “dass Nitsch im Theatermuseum mehr zu Hause ist als in den Museen für bildende Kunst.”

Spektakuläre Regiearbeiten

Mit Videomitschnitten und Kostümentwürfen erinnert er an Nitschs spektakuläre und bildmächtige Regiearbeiten an großen Theater- und Opernhäusern: An der Wiener Staatsoper feierte er etwa mit seiner Interpretation von Jules Massenets Hérodiade 1995 triumphale Erfolge. Für die Zürcher Oper inszenierte er Robert Schumanns Faust und für die Bayerische Staatsoper Olivier Messiaens Saint François d’Assise.

Von poetischer Suggestionskraft die eigens für das Theatermuseum geschaffene Video-Rauminstallation (Konzeption: Nitsch, visuelle Gestaltung: Frank Gassner). In den Vitrinen teils noch nie ausgestellte Manuskripte und Partituren als kalligrafische Kleinodien.

Klug gewählte informelle Malerei, Aktionsfotografien und seltene Filmsequenzen als Dokumentationen eines sich stetig fortschreibenden Werkes.

Gleich beim Eingang eine Büste von Ödipus, neben Dionysos und Christus einer der Archetypen in Nitschs Universum. Seit Mitte der 1950er-Jahre treibt er mit heiligem Ernst die Idee des Orgien-Mysterien-Theaters voran - einer Art Urdrama für alle Sinne, das von Geburt, Leben, Sterben und Wiedergeburt handelt. Es sei Grundexzesserlebnis und Auferstehungsfest, sadomasochistische Ausschweifung und Katharsis, brutale Zerstückelung und harmonisierende Synthese. “Aller Abstieg ins Perverse, Unappetitliche geschieht im Sinne einer heilenden Bewusstmachung.” Höhepunkt seiner Vision eines freien und befreienden Theaters war das Sechstagespiel 1998.

Eine Version davon noch einmal in Prinzendorf aufzuführen sei sein Traum. “Um dieses größte Fest der Menschheit zu realisieren, brauche ich Hilfe. Denn ich habe kein Geld mehr. Danach kann ich abkratzen. Aber das will ich noch machen.” (Andrea Schurian, DER STANDARD, 26.3.2015)

Bis 11. 1. 2016

Im Buch zur Ausstellung Aufsätze u. a. von Hubert Klocker, Herbert Blau, Johannes Gachnang. Begleitprogramm: www.theatermuseum.at



einen Kommentar hinterlassen


Powered by Wordpress 2YI.net Web Directory

Copyright © 2007 Andrea Schurian | All Rights Reserved | WP 2.5.1 | page loaded in 0.15 Sekunden | Reworked & translated by Frank Haensel