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04
Jun

Peter Kogler: Die Rückkehr der Ameise

Also gut, zum Thema Umwelt fallen ihm jetzt auf die Schnelle nicht so rasend viele Assoziationen ein. Genau genommen zuerst einmal nur zwei: Ökologie und Ökonomie. Und nach einer kleinen Pause fügt Peter Kogler hinzu, dass sich die Weltbevölkerung seit seiner Geburt 1959 verdoppelt habe: Und es ein universeller Begriff sei und folglich alle Kategorien betreffe, die eine Zeitung strukturieren, vom Wirtschafts- bis zum Kulturteil, Politik und Sport natürlich auch. Passt.

Denn nun können Koglers Ameisenvölker quer durch alle Ressorts über den öffentlichen Raum der Zeitungsseiten krabbeln wie sonst über Ausstellungswände und Museumsmauern - dort also, wo Peter Koglers Kunst üblicherweise stattfindet. Ein “unendliches Undsoweiter” nannte der Kulturphilosoph Boris Groys übrigens einmal Koglers Netzwerke.

Als Motiv und künstlerisches Studienobjekt entdeckt hatte Kogler die Ameise eher zufällig vor ziemlich genau dreißig Jahren. Da saß der junge Künstler bei Freunden im Garten und filmte, wie eine Ameise über eine Zeitung kroch, war fasziniert von diesem kleinen Organismus inmitten des Buchstabensalats. “Nicht um Kunst zu machen. Ich habe damals viele Dinge aufgenommen, weil ich immer meine Kamera dabeihatte.”

13 Jahre später, 1992, tapezierte Kogler auf der Documenta 9 die Gänge des Fridericianums mit Ameisenstraßen: “Da hatte ich mich wieder an diesen alten Super- 8-Film erinnert und an die Ameise, die in etwa so groß ist wie ein Buchstabe, der sich verselbstständigt hat - und die einen sehr stark zeichenhaften Charakter hat im Bezug zur Information. Dies - Information und Zeichenhaftigkeit - scheint eine Konstante in meiner Arbeit zu sein.”

Prinzip der Serie

Kunst ist Kommunikation, das Motiv ein Bedeutungsträger, und, nein, anstelle der Ameise hätte es natürlich keine Küchenschabe sein können, weil die zu negativ konnotiert wäre. Auch kein fleißiges Bienchen: “Die Motive wähle ich mit gewisser Genauigkeit.”

Zur Ameise gesellten sich jedenfalls im Laufe der Zeit das Gehirn, die Ratte und die Röhre - ein Prototyp, der Grundbaustein der Moderne. “Je nach Situation greife ich auf das eine oder andere Motiv zurück, es kommt etwas Neues dazu, was aber nicht zuletzt mit kulturellen oder technischen Verschiebungen zu tun hat.” Als neues Vokabel wird künftig der Knoten in die Kogler’sche Bildsprache aufgenommen.

Wichtig ist Kogler auch das Prinzip der Serie. Nicht nur, “weil es gesellschaftliche Realität ist, dass die meisten Dinge, die uns umgeben, in großer Stückzahl produziert sind”, sondern auch, um die persönliche Handschrift zurückzunehmen, zu standardisieren, Kunst reproduzierbar zu machen: “Das Künstlerbild, bei dem der Künstler nur aus sich schöpft, diese ganzen Vorstellungen vom Genie, das war mir immer suspekt. Ich war stets mehr an dem interessiert, was von außen kommt und wie es verarbeitet wird.”

Verarbeitet wird bei Kogler auf vielerlei Art: im klassischen Bildformat, raumgreifend, zeichnerisch, filmisch, mit dem Computer. Vor allem mit dem Computer: “Er strahlt aus auf das, was du machst. Der Computer ist deshalb so attraktiv für mich, weil er faktisch keine Vorgeschichte in Bezug auf die Kunstgeschichte hatte. Es war immer klar, dass die nächsten Jahrzehnte von diesem Medium dominiert sein werden. Keine Erfindung war, in Bezug auf die Nutzung, so universell wie der Computer.”

Museum in Progress

Seine wichtigste Entdeckung machte Peter Kogler vermutlich 1984 auf einer Büromaschinenmesse, als man für Rechner noch ganze Kellerabteile brauchte und lange, ehe die Universität Wien 1990, Sensation!, ans Internet angeschlossen wurde: “Da bot man einen Macintosh als erstes Gerät an, mit dem man schnell und einfach Bilder produzieren konnte.”

Der Holzhändler-Sohn aus Innsbruck realisierte seine ersten Galerie-Projekte bei Krinzinger und St. Stephan bereits mit zwanzig. Von da an ging’s für den Shooting- Star steil nach oben: New York, Los Angeles, 1986 Biennale von Venedig, zweimal (1992, 1997) Documenta, Museumsausstellungen auf der ganzen Welt, Professur in Wien, nun in München: “Ich hatte immer das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.”

1989 war er jedenfalls gerade in L.A., als ihn Josef Ortner anrief und fragte, ob er, neben anderen jungen Künstlern, für “Museum in Progress” regelmäßig eine Seite für den Standard gestalten wolle. Kogler wollte. Die Zeitung als Museum der Moderne. Kunstintervention im Medienraum: Dieses visionäre Konzept des kürzlich früh verstorbenen MiP-Gründers soll im Herbst eine Fortsetzung im Standard finden.

Und nun kommt auch schon die Ameise wieder zurück. Von der Druckmaschine auf die Buchstaben. Zeichen der Information.

 

 



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