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15
Mai

Privat-TV auf Kulturkurs: Die neuen ATV-Highlights

Sicher, man könnte es als kleines Programmfensterchen für Hochkultur abtun: Der Staatsoperndirektor erfindet, knapp bevor er 2010 mit 75 Jahren in die Spät-Rente geht, gemeinsam mit einem Privatfernsehmacher für sich und Co ein 15-minütiges Kulturfernsehformat. Quasi ein Vorsorge-Programm in eigener Sache. Doch dass zwei ORF-Kulturprofis wie Franz Zoglauer und Erna Cuesta zu ATV wechseln - Letztere noch dazu nicht wegen drohender Frühpensionierung, sondern aus purer Frustration -, kommt einem Tabubruch gleich und wird die TV-Landschaft vermutlich à la longue maßgeblich verändern.

Bisher verlief der Journalistenaustausch zwischen Privatsendern und ORF ja eher “one way”: Die Küniglberger angelten nach Belieben im (durchaus überschaubaren) Talentepool von ATV und Puls 4 und lockten mit mehr Gehalt. Und mehr Prestige. (Nur um Dominic Heinzl buhlte man offenbar bisher vergeblich. Oder zu billig.) Umgekehrt sahen ORF-Journalisten im heimischen Privatfernsehen keine Alternativen zu ihrer geschützten Werkstätte ORF. “Wohin kann ich denn gehen? Es gibt ja nichts außer dem ORF”, diese häufig geäußerte Kantinen-Klage der ORFler, wird in Zukunft mit Verweis auf Zoglauer und Cuesta jedenfalls differenzierter beantwortet werden.

Wobei die Privaten schon seit längerem - durchaus erfolgreich - den ORF in seinen Kernkompetenzen zu schwächen versuchen. Bestens in Erinnerung beispielsweise die wirklich exzellenten Vorwahldebatten auf ATV und Puls 4: frisch, unkonventionell, angriffig, cooles Studiodesign, tadellose Moderatoren. Der ORF sah daneben mit seinen ewig runden Tischen ziemlich alt(backen) aus.

Schon zu Gerhard Zeilers Zeiten wurde am Küniglberg über Frühstücksfernsehen nachgedacht und dieses, angeblich aus Kostengründen, immer wieder verworfen. Seit ein paar Jahren hüpft der Minisender Puls 4 mit einer Mischung aus U und E, Politik, Wirtschaft, Kultur und Tratsch vor, wie’s ginge.

Nun verliert auch die ORF-Kulturberichterstattung ihr Alleinstellungsmerkmal. Und das tut, zumal in Zeiten, da Österreichs elektronisches Leitmedium an Zuschauerschwund leidet und unter politischem Dauerbeschuss steht, wirklich auweh. Kultur im Fernsehen wird gern als öffentlich-rechtlich notwendiges Übel und Quotenkiller gesehen (weshalb ja die tägliche ORF-Kulturberichterstattung im Laufe der Zeit vom Kulturjournal auf derzeit ein Beitragerl in der ZiB reduziert wurde). Sich ausgerechnet auf dieser Programmschiene von qualifizierten Ex-Mitarbeitern ein, wenn auch nur 15 Minuten kurzes, Näschen zeigen zu lassen, tut zweimal auweh.

Die Debatte um die Legitimierung von Gebührengeldern wird dieses sonntägliche Kulturfenster auf ATV jedenfalls wieder anheizen. Zu Recht. Wenn Private kulturberichterstatten, also das machen, was unter öffentlich-rechtlichem Auftrag zu verstehen ist: Warum sollte es dann nicht auch staatliche Medienförderung geben? Ex-ATV-Programmchef Markus Andorfer würde diese Argumentation beispielsweise logisch finden. ATV-Eigner Herbert Kloiber, ein ausgewiesener Kunst- und Kulturfreund, verneint dies. Noch?

Viel Kulturprominenz fungiert als Unterstützungskomitee für das ATV-Kulturmagazin, u. a. die Chefs von Konzerthaus und Volksoper und neben dem amtierenden auch der künftige Staatsoperndirektor. Verständlich, die wollen ihre Häuser im TV sehen. Doch Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny war bei der heutigen ATV-Pressekonferenz auch dabei. Als personifizierter Wink mit dem Zaunpfahl? Oder gar als medienpolitischer Gruß aus dem Kanzleramt? Im ORF sollten die Alarmglocken schrillen. Und zwar laut.

 15.5.2009  Standard

 



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