Claus Peymann: “Ich halte mich für einen Störenfried” | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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09
Jan

Claus Peymann: “Ich halte mich für einen Störenfried”

Ein Gespräch über die Geheimnisse (nicht nur) aus dem Giftschrank der Theatermacherei gesprochen.

13 Jahre lang mischte “P” wie “Peymann. Zampano” das Burgtheater und die Wiener Gesellschaft auf wie kein Nikolaus nach ihm. Nicht nur die schönsten (Theater)-Skandale sind in Peymann von A-Z (Hrsg. Hans-Dieter Schütt) nachzulesen, einer amüsanten Montage aus Gedankendonnern, Ungereimtheiten, Fußnoten, Sehnsüchten, Geschwätzigkeiten und Verletzlichkeiten.

Andrea Schurian: K” für “kalt abserviert”, “M” für “mustergültig dumm”. Wie hoch ist Ihr Anteil an diesem eigenwilligen Peymann-Alphabet?

Peymann: Ich habe mich für dieses Buch völlig in die Hände des Theaterkritikers Hans-Dieter Schütt begeben. Er hat alles bekommen, Briefe, Aktennotizen, nur zwei, drei Briefe von Bernhard nicht. Die sind dermaßen wüst, dass bei einer Veröffentlichung die Welt auseinanderfallen würde. Ich hatte überhaupt nichts mit dem Buch zu tun, außer dass ich das Objekt der Begierde bin.

A.Sch: Und schmeichelt das Ergebnis Ihrer Eitelkeit?

Peymann: Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen. Ich war ja wirklich sehr verblüfft, wie intelligent ich bin (lacht). Wenn ich schreibe, ist das immer unheimlich bemüht. Aber ich habe die Gabe des Populisten: Wenn Sie mich wohin stellen, rede ich. Ich bin ein glänzender Improvisator und kann formulieren.

A.Sch: Hatten Sie denn dann nie Lust, selbst eine Biografie zu schreiben?

Peymann: Thomas Bernhard sagte: “Sie müssen unbedingt Ihre Biografie schreiben.” Gottseidank vergesse ich alles, und so ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Aber natürlich würde eine wirkliche Biografie unendlich mehr über die Erlebnisse mit Bernhard aussagen: diese Schreckenswege, die wir 15 Jahre miteinander gegangen sind, diese merkwürdige Männer-Freundschaft, fast würde ich sagen: Männer-Liebe. Männer-Abhängigkeit.

A.Sch: Sie sagen, es gäbe kaum schüchternere Menschen als Theatermenschen. Gilt das auch für Sie?

Peymann: Im Kern bin ich schüchtern. Darum habe ich wahrscheinlich diese große Klappe: um mich zu schützen. Alle Regisseure, die ich kenne, sind ängstliche, manchmal sich durch Aggression schützende, oft introvertierte Personen. Robert Wilson, Peter Stein, Andrea Breth, ich selbst: alle nicht frei von Angst, und natürlich alle besessen. Auch diesbezüglich lüftet das Buch gewisse Geheimnisse, Interna aus dem Giftschrank der Theaterarbeit.

A.Sch: In dem Buch erfährt man aber auch private Geheimnisse, z. B., dass Sie einen Sohn haben.

Peymann: Er lebt in Berlin. Ich hatte lange keinen Kontakt zu ihm.

A.Sch: Haben Sie ihm gegenüber Vatergefühle?

Peymann: Nein! Das hängt vielleicht mit meiner eigenen, brüchigen Familiengeschichte zusammen. Mein Vater war ein halber Nazi, meine Mutter ist gegen Hitler gewesen. Kann sein, dass bestimmte Herzlinien in dieser Konstellation gar nicht wachsen konnten. Diese Art von privatem Glück, das ist seit vielen Jahren klar, gibt es für mich nicht. Alles, was an Liebe, Fürsorge, Verantwortungsbewusstsein in mir vorhanden ist, wird absorbiert durch meine Theaterfamilie. Das macht wohl auch einen Teil der Kraft aus, die von meinen Theatern immer ausgegangen ist. Diese Kraft, dass meine Schauspieler vielleicht nicht immer bewundert, aber immer geliebt wurden. Am Burgtheater gibt es viele Schauspieler, die man sehr bewundert hat. Aber wirklich geliebt hat man die Peymann-Spieler.

A.Sch: Ist Theatermachen eine Form von Liebemachen?

Peymann: Probenarbeit ist ein Liebesakt. Man glaubt ja nicht, wie nahe sich Schauspieler in einer Szene kommen können, so nah wie in der schönsten Liebesnacht nicht - und trotzdem sind sie verfeindet. Lösen sich, sind dann wieder Schauspieler, erzeugen einen Grad von Wahrheit, der ja in Wirklichkeit eine Lüge ist, dass man in Tränen ausbricht oder in Gelächter. Das Theater ist schon die herrlichste verlogene Angelegenheit, die man sich nur denken kann.

A.Sch: Wären Sie gerne Schauspieler geworden?

Peymann: Nein! Ich habe mit Hermann Beil Bernhard-Dramolette gespielt und fand es todlangweilig, wenn die Leute immer an der gleichen Stelle lachten. Letztlich ist Spielen immer die wiederholte Improvisation. Dieses Improvisieren muss dann aber fünfzig Mal im Repertoire gespielt werden. Das hat schon auch was von Stumpfsinn. Monotonie ödet mich an. Andererseits gehen Schauspieler in die Vorstellung wie in einen Zweikampf mit dem Publikum. Das Balance-Halten zwischen Verführen und Provozieren bewundere ich.

A.Sch: Sind Sie mit dem Alter milder geworden?

Peymann: Ich hoffe nicht. Je mehr man an Erfahrungen sammelt, desto komplizierter wird es. Als Junger ist man auf eine schöne Art kreativ dumm. Im Alter kennt man alle Widersprüche. Man prüft mehr als zuvor, schlägt nicht mehr mit der Faust auf den Tisch. Das hat zur absurden Situation geführt, dass ich nun als Traditionalist gelte. Zuerst der große Tabubrecher und Provokateur und jetzt heißt es: Der Peymann ist ja ein Konservativer, ein Wertebewahrer. Am BE arbeiten der Stein und die Breth und der Brandauer. Wo sind die jungen Genies? Ich sage: Junge Genies haben überall die Chance, das Burgtheater wimmelt ja nur so von ihnen. Ich nehme die alten Meister. Das muss ja auch erlaubt ein.

A.Sch: Privat sind Sie lieber mit Schriftstellern als mit Schauspielern zusammen, sagen Sie im Buch.

Peymann: Ich habe immer die Autoren als meine Weggenossen empfunden. Leute wie Handke, Bernhard, Tabori, Jelinek, Turrini haben nur für das Burgtheater geschrieben. Wo gibt es denn das heute noch? Insofern war Wien meine erfolgreichste Theaterzeit. Das ist eine unglaubliche Droge, dass man so starke Freunde hat - die natürlich auch manchmal unerträglich sind. Am BE ist es mir nicht mehr in dem Ausmaß gelungen, Autoren ans Haus zu binden. Mit Botho Strauß ist ein neuer wichtiger Weggefährte entstanden, wir haben drei seiner Stücke uraufgeführt.Ohne diese Autoren wäre mir das Theater wahnsinnig fad. Dann würde ich mich verkrümeln.

 A.Sch: Wohin?

Peymann: Wir haben hier in Berlin einige Regisseure, die arbeiten in Strafanstalten. Vielleicht würde ich so etwas machen, denn dort brennt das Theater wieder auf eine ganz andere Weise. Da stellt sich die Sinnfrage neu. Ich bin ja einer, der immer wieder politische Auseinandersetzungen sucht.

A.Sch: Etwa mit dem Angebot, den ehemaligen Terroristen Christian Klar nach seiner Haftenlassung am BE zu beschäftigen?

Peymann: Das ist ja völlig albern. Das ist keine politische Manifestation. Ich hätte ja ganz andere Möglichkeiten, mich zu Terrorismus zu äußern, als über diesen von der Haft ausgelaugten und über die Jahre zerstörten Ex-Terroristen. Ich habe mit ihm nie ein Wort gewechselt, er hat mir ein paar Karten geschrieben. Ich habe ihm ein Buch geschickt. Mehr war da nicht.

A.Sch: Am Burgtheater hatten Sie den Ruf, cholerisch zu sein. Sind Sie das immer noch?

Peymann: Ich kann laut sein. Aber ich kann auch sehr zärtlich sein. Wie von mir selbst erwarte ich auch von allen anderen hundertprozentigen Einsatz. Ich halte mich für einen Störenfried. Ich bin der Störer des flüssigen Ablaufs. Ich schrecke immer wieder auf. Ich verunsichere.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2008)

Zur Person:
Claus Peymann, geb. 1937 in Bremen, Regisseur und Intendant. 1986-1999 Burgtheater-Direktor; seit 1999 leitet er das Berliner Ensemble



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