Biennale von Venedig: Kunstparcours durch die Lagunenstadt | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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08
Jan

Biennale von Venedig: Kunstparcours durch die Lagunenstadt

Krise? Die Yacht-Anlegeplätze am Canal Grande sind wie immer ausgebucht, obwohl die Parkscheingebühren mit kolportierten 15.800 Euro pro Schiff und Tag doch im oberen Preissegment angesiedelt sind. Noch schicker als ein Schiff macht sich allerdings ein eigener Palazzo am Kanal. Viktor Pinchuk, ukrainischer Multimillionär und Kunstmäzen, hat einen und verborgt ihn alle zwei Jahre seinem Land als Biennale-Pavillon.

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Herr Pinchuk hat Geld wie Sand am Meer, vielleicht wollten Illya Chichkan und Mihara Yasuhiro genau dies der Welt einfach einmal mitteilen: Unter dem Titel Steppes of Dreamers schütteten die beiden Designer-Künstler feinsten Strandsand in die Eingangshalle; den ersten Stock stylten sie zu einem Geisterschloss mit gruseliger Musik, Nebelschwaden, im künstlichem Wind flatternden Abendkleidern, bunten Glühbirnen in venezianischen Lustern und anderenMerkwürdigkeiten. Wie der immer wiederkehrende Geist der Ahnfrau kurvt ein blassblondes Fräulein durch die halbdunklen Räume. Auch am Kurator dieser an Be- und Andeutungen reichen Zeitreise ins 19. Jahrhundert wurde mit Schwergewichtsweltmeister Vladimir Klitschko nicht gespart.

“Die ganze Welt will hier dabei sein”, sagt Robert Fleck, Leiter der Bonner Kunsthalle, der in Venedig sein Geschichts- und Geschichtenbuch zur Biennale präsentierte: “Die teilnehmenden Länder haben sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt.”

Den Premierenauftritt von Abu Dhabi kuratierte Ex-Documenta-Chefin Catherine David. Das Beste sei gerade gut genug, sagt Fleck: “Diese Länder investieren unglaubliche Summen. Der Scheich ist gleich zu siebzigst angereist.”

Weniger opulent gestalten die Komoren ihren ersten Biennale-Auftritt. Ihr Pavillon - vermutlich der kleinste, vielleicht der eindrücklichste - ist am Canal Grande, genauer an der Riva degli Schiavoni, dem Sklavenufer, gestrandet. Wie im wirklichen Leben müssen die Komoren draußen bleiben: Sie halten sich auf einem Container-Boot als Boat-People über Wasser.

Täuschend echt die Sammlerleiche im Pool vor dem dänischen Pavillon; und drinnen langweilen sich die Ex-Lover in coolem Ambiente zu Tode. Krise auch bei Nachbars, das For sale-Schild verrät: Die können sich den Bungalow in bester Gartenlage nicht mehr leisten. Eh. Schmäh. In Wirklichkeit ist es der Gemeinschaftspavillon der Schweden, Norweger und Finnen, durch den ein slicker Makler die Besucher mit typischem Verkaufssprech führt. The Collectors nennt das dänisch-norwegische Künstlerduo Michael Elmgreen / Ingar Dragset den frechen Kommentar zu aktueller Kunst und Krise.

Fotos, Malerei, Konzeptkunst, alle Materialien, alle Medien, alle Stile. Aufregendes, Banales, Kitschiges, Sprödes, Kostbares, Schrott. Kunst-Ländereien weit über die Giardini hinaus über Venedig verteilt. Gute Steherqualitäten sind erforderlich, Schlangenbildung ist der diesjährige Biennale-Trend. In dieser Hinsicht besonders trendy: Frankreich, USA, Rumänien und die Briten. Hier ist gar eine Terminvereinbarung nötig, um das Halbstundenvideo von Steve McQueen sehen zu dürfen. Inmitten von spektakulärer Hier-bin-ich-Kunst die wunderbar stillen Zeichen-Sprach-Studien von Silvia Bächli im schweizerischen Pavillon.

Stellenweise ähneln die Giardini übrigens einer Einrichtungsmesse.Vor dem polnischen Pavillon stehen Umzugskisten, bei den Russen hat Gosha Ostretsov den Keller mit unheimlichen Holzrahmen und -räumen à la Ilya Kabakov verbaut. Im ersten Stock präsentiert Konzeptualist Pavel Pepperstein gezeichnete Vergangenheitsbewältigung als Sieg über die Zukunft.

Im Deutschen Pavillon ging der Brite Liam Gillick ans Werk. Mit einer Gründlichkeit, die man seinen Gastgebern nachsagt, zimmerte er quer durch die Räume eine Hellholz-Einbauküche: Sein demokratischer Eingriff in den von den Nazis umgebauten Herrschaftsbau. Die ausgestopfte Sprech-Katze auf dem Küchenkastl: sein Alter Ego?

Dass Gilliam im deutschen Länderpavillon präsentiert wurde, wirbelte im Vorfeld jede Menge Staub auf. Apropos: Die venezolanische Künstlerin Antonieta Sosa hat ihren Staub vom 11. 1. 1996 bis 13. 6. 1998 fein säuberlich in Dosen abgefüllt. Staub zu Staub. Im schwarz verhüllten japanischen Pavillon dekliniert Miwa Yanagi mit lebensgroßen Fotos das Vanitas-Thema neu. Alter. Vergänglichkeit. Hässlicher Tod.

Natura morta. Kunst als ökologisches Konzept: Roman Ondák holte die grünbepflanzte Außenwelt ins Innere des tschechischen Pavillons: Loop. Natürlicher Kreislauf. Bei den Österreichern Franziska und Lois Weinberger wird Kunst zu Mist. Und Mist zu Kunst

 

 



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