Sona MacDonald bei den Salzburger Festspielen | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

Andrea Schurian

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10
Aug

Sona MacDonald: “Erkenntnis, die im Lachen steckt, ist wunderbar”

Das Interview fand anlässlich der Premiere von “Mackie Messer”, der Salzburger Fassung der “Dreigroschenoper”, bei den Festspielen statt. Spelunken-Jenny Sona MacDonald über die Kunst des Schauspiels als Diebstahl.

Sie singen die Spelunken-Jenny nicht zum ersten Mal. Was ist nun das Besondere an “Mackie Messer”, der Salzburger “Dreigroschenoper”?

Sona MacDonald: Zunächst der Ort: Die Felsenreitschule, das ist schon ein unglaubliches Gefühl. Es erfordert eine andere Präsenz, eine andere Körperlichkeit, um in dem riesigen Raum Intimität zu erzeugen. Und dann das Team! Ein englischer Bühnenbildner, ein englischer Dirigent, Martin Lowe, den ich verehre und der eine unglaublich tolle neue Orchestrierung gemacht hat, die ins Heute gleitet, Kurt Weill aufwühlt, aber leben lässt. Da ist ein spannendes junges Orchester mit einer ersten Geigerin, die Choreografin ist Amerikanerin, ein Regisseur ist Deutscher, der andere Brite. Sie nähern sich Brecht erfrischend unbefangen. Das entspricht meinem Zugang, so bin ich in Amerika aufgewachsen. Trotzdem habe ich die europäische Tradition lieben gelernt, weil ich mit meinen Eltern oft hier war.

Hat die Liebe zur Musik auch Ihr Vater geprägt, der ja Konzertpianist war?

MacDonald: Ja, genau. Und er konnte Gershwin genauso spielen wie Mozart. Er symbolisiert für mich die Liebe zu allen Genres. Das trage ich weiter.

Also keine Unterscheidung zwischen U- und E-Kultur?

MacDonald: Nein! In Amerika gibt es das gar nicht, diese Unterscheidung ist etwas sehr typisch Europäisches. Aber ich bemerke, dass auch hier diese Grenzen immer mehr aufbrechen. Theater, Kunst soll gut sein, mich erreichen, mich bewegen. Und es darf mich natürlich auch amüsieren. Die Erkenntnis, die im Lachen steckt, ist doch wunderbar!

Mit einem Pianisten zum Vater und einer Schauspielerin zur Mutter: Hatten Sie da überhaupt eine andere Chance, als auch auf der Bühne zu landen?

MacDonald: (lacht) Das Glück ist, wenn du mit deinen Eltern alles besprechen kannst, weil sie um die Ängste und Sorgen Bescheid wissen. Weil sie das Künstlerdasein mit allen Höhen und Tiefen kennen. Mindestens einmal während der Probenzeit fällt man in tiefe Löcher der Grübelei, ist voller Zweifel, ob man es überhaupt hinkriegt. Und die Ängste werden mit zunehmendem Alter mehr. Die Ansprüche sind gewachsen. Man weiß immer mehr, was schiefgehen kann. Man hat hohe Ansprüche, einfach wahr zu sein, die Menschen zu erreichen. Wichtig ist, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Das ist schwer. Sehr schwer.

Gier, Betrug, Korruption, die großen Gauner, die sich’s richten und die kleinen über die Klinge springen lassen: Sven- Eric Bechtolf, Co-Regisseur der Salzburger “Dreigroschenoper”, war kürzlich leicht genervt über die Frage nach der Aktualität. Wie sehen Sie das?

MacDonald: Natürlich hat das Stück unglaublich viel mit der Gegenwart zu tun. Ja, ich höre die Sätze neu. Allein auf dem Weg zur Probe die Bettler zu sehen, die, wie man weiß, auch großteils organisiert sind – natürlich ist kein Bettler freiwillig da, aber das, was man sieht, ist einfach korrupt. Das ist beklemmend und macht mich traurig. Und wenn dann im Stück die Frage gestellt wird, wo der Unterschied ist zwischen der Gründung der Bank und dem späteren Betrug: Das klingt in den Ohren! Und auch Brecht hat ja dieses Stück, wenn man so will, sehr, sehr klug “zusammengestohlen”.

Wie erarbeiten Sie die Rolle: Stülpen Sie sich die Figur über, oder stülpen Sie sich über die Figur?

MacDonald: Beides. Beim ersten Lesen ist das auch ein körperlich spürbarer Prozess. All die Eigenschaften, die ich gar nicht in mir habe: Wie kann ich die hineinmanövrieren. Ich beobachte Kolleginnen, Filmschauspielerinnen, die ich bewundere, und versuche auch zu stehlen (lacht). Passt zum Stück! Das hat Michael Caine einmal gesagt: “Stiehl immer von den Besten!” Mein Credo ist: Mach mehr und falsch, bevor du zaghaft bist. Geh auf die Proben und fall hin. Wenn man scheitert: Was soll denn sein?

Gibt es Regisseure, die einen nicht auffangen, wenn man fällt?

MacDonald: Ja, natürlich gibt es die. Anfangs, in meinen Zwanzigern und Dreißigern, war ich schon manchmal vom schroffen Ton am Deutschen Theater sehr erschrocken. Aber wenn man sich dann selber einschränkt und wie in einer Prüfungssituation hofft, zu “bestehen”, dann wird es nur verkrampft. Jetzt bin ich so lange im Beruf und bin immer noch darauf angewiesen, dass die Chemie mit dem Regisseur stimmt. Mein Credo ist, mich nicht zu versperren und mir zu sagen, der oder die meint die Kritik ja nicht persönlich. Aber wir haben keine Geige, die falsch klingt, sondern wir sind das Instrument, das kritisiert wird. Das kann man nicht wie einen Mantel ablegen. Aber durch meinen Sohn habe ich eine andere Relation zu den Dingen gekriegt. Und natürlich gibt es Regisseure, die meisten sind so, die dich zum Risiko ermuntern.

Was macht für Sie einen guten Regisseur aus?

MacDonald: Er bringt andere zum Leuchten. Er animiert. Und, mit fünf Rufzeichen: Er liebt die Schauspieler! Er ist kritisch, bringt uns dazu, die Komfortzone zu verlassen. Wenn jemand immer wieder erprobte Dinge wiederholen will, dann soll einen der Regisseur herausholen, liebevoll und streng.

Haben Sie schon Rollen zurückgelegt?

MacDonald: Sehr selten, wenn ich das Gefühl habe, etwas nicht zu bewältigen. Das hört sich leicht an, aber ich erinnere mich an schlaflose Nächte, in denen ich überlegte, wie ich es dem Regisseur beibringen könnte. Ich versuche allerdings zu lernen, innerhalb der Arbeit Dinge klarzustellen, Widerstand zu bieten, nicht alles zu schlucken. Arbeit auf Augenhöhe, das fordere ich. Es gibt Kollegen, die einfach von der Probe weggehen, das mache ich nicht. Aber der Schauspieler gibt sich erst mal selber die Schuld, wenn etwas schiefläuft, auch für eine misslungene Aufführung. Doch wenn ich zurückblicke auf all das, was ich gemacht habe, blicke ich auf einen reichgedeckten Tisch zurück. Das soll man sich auch sagen, wenn man unglücklich von einer Probe kommt und glaubt, man kann gar nichts. (Andrea Schurian, 8.8.2015)

Sona MacDonald (54) debütierte 1988 bei den Salzburger Festspielen als Kascha in Peter Steins Bearbeitung von Grillparzers “Libussa”. Nach Stationen in München und am Staatstheater Berlin folgte sie Boy Gobert ans Theater in der Josefstadt in Wien. Voriges Jahr wurde die Tochter eines US-Pianisten und einer österreichischen Schauspielerin zur Kammerschauspielerin ernannt.



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